„Du bist meine beste Freundin. Du darfst jetzt nicht gehen! Du darfst mich nicht allein lassen!“
„Mir geht’s so schlecht, weil du dich nicht um mich kümmerst.“
„Warum hast du dich mit XY getroffen, wenn du genau weißt, dass ich XY nicht mag?“
„Dich würde doch eh niemand wahrnehmen, wenn du nicht mit mir unterwegs wärst. Ohne mich bist du bloß ein Mauerblümchen.“
„Wenn ich dir wirklich wichtig wäre, würdest du das für mich machen!“
Achtung, toxisch!
Vielleicht kennen wir solche Freundschaften nur aus irgendwelche schlechten, amerikanischen High-School-Filmen, in denen alle Mädels das It-Girl der Schule anhimmeln und um jeden Preis mit ihr befreundet sein wollen, obwohl diese sie nur rumkommandiert und immer klein hält, damit ihre Schein-Beliebtheit bloß nicht in Gefahr ist.
Doch ich glaube, dass solche Freundschaften nicht nur in Filmen existieren. Ich glaube, dass es mehr von diesen “toxischen” Freundschaften gibt, als wir vielleicht denken. Sie sind nach außen hin vielleicht nicht so deutlich erkennbar wie in Hollywood, aber jeder, der sich in so einer Freundschaft befindet oder schon einmal befunden hat, weiß, dass solche Freundschaften im wahrsten Sinne des Wortes „giftig“ sind. Sie schwächen, sie belasten und sie zerstören.
Doch wer ist schon freiwillig in einer Freundschaft, die einem überhaupt nicht gut tut, ja sogar zerstört? Vermutlich niemand. Das Problem ist, dass so eine Freundschaft in den meisten Fällen ganz unauffällig und unschuldig beginnt. Zwei Menschen lernen sich kennen, verstehen sich gut, unternehmen etwas gemeinsam und langsam baut sich eine Freundschaft auf. Meist ohne es zu merken, bekommt die Beziehung mit der Zeit eine unausgeglichene Dynamik. Es entsteht ein Ungleichgewicht. Eine Partei steht über der anderen. Eine dominiert und die andere passt sich an. Die Freundschaft ist auf Dauer nicht gesund. Sie ist toxisch.
Was macht eine toxische Freundschaft aus?
Ich versuche mal, es am Beispiel von X und Y deutlich zu machen:
- X macht Y für sein Glück und seine Zufriedenheit verantwortlich. Wenn es X nicht gut geht, ist Y daran schuld und muss sich darum kümmern, dass es X wieder besser geht.
- X fordert von Y, dass Y sich mit niemand anderem außer X trifft, damit er immerzu Zeit für X hat. X muss immer oberste Priorität haben.
- Wenn Y etwas macht, was X nicht gut findet, „bestraft“ X Y, indem X nicht mehr mit Y spricht und Y die kalte Schulter zeigt, bis Y sich bei X entschuldigt.
- X erklärt Y regelmäßig, dass X ohne Y völlig aufgeschmissen wäre, weil nur X erkennen würde, dass Y besonders ist.
Jetzt ist die Frage: Warum lässt Y das alles mit sich machen? Das ist doch bescheuert!
Für ein „toxische“ Dynamik in einer Freundschaft sind beide(!) verantwortlich. Natürlich liegt es oben auf, die dominantere Person dafür verantwortlich zu machen. Doch jemand, der sich nicht für sich selbst einsetzt und sich jemand anderem unterwirft, trägt ebenfalls erheblich dazu bei, dass eine Freundschaft aus dem Gleichgewicht gerät.
- Y ist so glücklich darüber, mit X befreundet zu sein, dass Y X unbedingt zufrieden machen und auf keinen Fall enttäuschen möchte. Y hat Angst, X zu verlieren, weil Y X eigentlich wirklich mag. Also ist Y bereit, sich zu verbiegen und sich für X aufzugeben.
- Y möchte X nicht mit seinen Gedanken, seiner Meinung oder Problemen nerven oder belasten, also nimmt Y sich ständig zurück, stimmt Xs Meinung immer zu und äußert seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse nicht.
- Y ist ein sehr harmoniebedürftiger Mensch und hält Konflikte nicht gut aus. Deshalb geht Y Konflikten mit X lieber aus dem Weg und folgt den Forderungen von X.
- Y hat kein stabiles Selbstbewusstsein und glaubt, dass X recht hat, wenn X Y schlecht macht. Y steht nicht für sich selbst ein.
Ich glaube, niemand entscheidet sich freiwillig für eine toxische Freundschaft.
Ich selbst war in so einer Freundschaft „gefangen“. Ich war zerrissen, weil ich gerne mit der anderen Person befreundet war und gerne Zeit mit ihr verbrachte. Dennoch stand ich permanent unter dem Druck, alles richtig machen und sagen zu müssen, um keinen Konflikt oder gar schlechte Laune auszulösen.
Es hat lange gedauert und war enorm schwer, aus so einem Gefüge wieder herauszukommen. Ich brauchte viel Mut, Selbstbewusstsein und vor allem aber Selbstachtung! Ich entschied mich dazu, mich nicht länger so behandeln lassen zu wollen. Ich wollte wieder frei sein.
Aus eigener Erfahrung kann ich jedoch auch sagen, dass es schwer ist, das Gleichgewicht in einer Freundschaft zu halten, ohne dabei den anderen nicht zu „bestimmen“ mit seiner Art, Meinung und seinen Bedürfnissen, wenn das Gegenüber keine Grenzen zeigt und nicht für sich und seine eigene Meinung einsteht. Selbst der gutherzigste Mensch ist dann in der Gefahr, jemandem Unrecht zu tun und in der Freundschaft zu dominieren.
Ich habe aus vielen Situationen und Freundschaften lernen können und möchte jedem ans Herz legen, für sich selbst einzustehen, wenn er sich in einer toxischen Freundschaft gefangen fühlt! Das muss nicht das Ende einer Freundschaft bedeuten, sondern für beide Seiten eine immens wichtige Grenze!
Eure Greta,
die sich auf die AP-Serie zum Thema „Ziemlich feste Freunde“ mega freut!
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