Ich sitze in einem kleinen Raum. Unter mir meine weiche, durchgelegene Matratze.
Das Bett steht auseinandergebaut in der Ecke. Daneben ein großer Karton
voll mit Dingen. An ihnen kleben Erinnerungen. Das kleine Blechflugzeug, dass mir mein Vater mal aus Uganda mitgebracht hat. Der zerfetzte Fußball, der jedes Wochenende auf dem Bolzplatz war. Schon viele Vasen sind seinetwegen zu Bruch gegangen. Die Unterschriften von meinen Freunden sind ausgeblichen.
Ich lasse meinen Blick über die Wände wandern. Kleine Flecken und Risse in der Tapete lassen nur noch erahnen, dass dort einmal Poster und Bilder hingen.
Auf der anderen Seite des Raumes steht ein Koffer, mein Cajón und eine Laptoptasche.
Es ging alles so schnell. Jetzt ist es vorbei. Das war es dann wohl.
Angst und Sorgen machen sich breit. Sorgen, die ich noch nie kannte. Schaffe ich das alles alleine? Ich, kleiner Dorfjunge, gerade einmal 18 Jahre, in einer Millionenstadt? In einem fremden Land? Unter fremden Leuten? London. Ist das nicht eine Nummer zu groß? Da wollte ich doch gar nicht hin! Hätte ich nicht einfach studieren sollen so wie alle anderen auch? Bin ich gut genug um im Fernsehen an der Kamera zu stehen?
Ein Jahr später:
Ich stehe in einem großen Zimmer. Meine ersten eigenen vier Wände. In meiner Hand eine warme Tasse Tee. Ich betrachte das Ergebnis meiner Arbeit. Ein neuer, gerade zusammengebauter Schreibtisch steht in der Ecke. Daneben mehrere leere Kartons. Alles ist in die Schränke und Schubladen eingeräumt. Ich lasse meinen Blick über die Wände gleiten. Überall hängen Bilder. An ihnen kleben Erinnerungen. Hier das Bild von der Gemeindefreizeit. Dort ein Bild vom Roadtrip im Frühjahr. Da, meine erste Show an der Kamera. Ach ja. Und die eskalative Weihnachtsfeier Anfang Dezember.
Es ging so schnell. So viel Gutes ist im letzten Jahr passiert.
Vorfreude macht sich breit. Vorfreude auf das, was kommt. Die Sorgen des Vorjahres: Weg. An keinem Tag war ich alleine. Die gefürchtete Millionenstadt durchquere ich mittlerweile auswendig mit Bus und U-Bahn. Das fremde Land ist mittlerweile mein Zuhause. Immer hat mir Gott die richtigen Menschen zur Seite gestellt. London. Das ist jetzt der Ort, an dem ich wohnen will. Den Job, den ich damals nicht wollte, mache ich jetzt weiter. Und ich freue mich riesig!
Eineinhalb Jahre Später:
Ich sitze in einem großen Saal. Gebeugt auf einem quietschenden Klapptisch. In meiner Hand ein Stift. Vorne in der Ecke steht unser Professor. Hecktisch wandert mein Blick über die Wand. Dort flimmert eine helle Folie. Überall auf der Powerpoint stehen Formeln. An ihnen kleben Erinnerungen. Erinnerungen an die Schulzeit. An verzweifelte Versuche sie zu verstehen. An vergessene Hausaufgaben. An versemmelte Klausuren.
Es ging so schnell. Die Zeit in London ist jetzt schon ein halbes Jahr vorbei. Soviel ist seither passiert.
Angst und Sorgen machen sich breit. Sorgen, die ich schon lange nicht mehr hatte. Schaffe ich die Prüfungen? Ich, der Realschüler mit Ausbildung. An einer Hochschule? Bin ich gut genug, um zu studieren? London. Da wollte ich doch gar nicht weg! Hätte ich nicht einfach noch ein paar Jahre weiter arbeiten können?
Es gibt Höhen.
Es gibt Tiefen.
Mal schaue ich mit Zuversicht in die Zukunft.
Mal schaue ich mit Sorge in die Zukunft.
Man könnte sich andauernd Gedanken machen. Sich über dies alles den Kopf zerbrechen.
Doch will ich das? Sollte ich nicht lieber die guten Zeiten genießen?
Die schlechten Zeiten annehmen, wie sie sind?
So oft habe ich schon erlebt, wie Gott alles genial gemacht hat. Ganz anders, als ich es geplant habe, aber gut.
Trotzdem falle ich zurück in dieselben Muster. Trotzdem bin ich immer wieder am Zweifeln.
Be still and know
Hillsong (Be Still)
That the Lord is in control
Be still my soul
Stand and watch as giants fall
Sei still und mache dir bewusst, dass Gott alles unter Kontrolle hat. Meine Seele, sei still. Bleib stehen und schau zu wie Riesen zu Boden Fallen.
Das möchte ich auch. Einen Schritt zurück machen. Zuschauen. Die Dinge auf mich zu kommen lassen. Zuschauen. Vertrauen, dass Gott einen Plan hat. Er weiß, was er macht.