Wir freuen uns, euch einen neuen Gastbeitrag präsentieren zu dürfen. Geschrieben hat ihn:

Tamara. 24. Studentin. Liebt es, griesgrämigen Personen ein kleines Lächeln zu entlocken. Findet, dass kleine Dinge manchmal das Größte sein können. Erdbeermarmeladenglasmomentesammlerin. Meist mit Kamera unterwegs. Liebt es, mit Gott spazieren zu gehen. Heute auch mal etwas nachdenklicher.
Kennst du dieses Gefühl, wenn dir alles aus den Fingern gleitet und du auf ganzer Linie scheiterst? Es gibt Tage, da beginnt mit einem solchen Moment bereits mein Morgen. Wer mich kennt, weiß, dass ich ein kleiner Morgenmuffel bin und die Snooze-Taste liebe. Jeden Abend nehme ich mir fest vor, beim ersten Weckerklingeln direkt aufzustehen und doch ist die Taste so verführerisch, dass ich lieber liegenbleibe, um meinen Schlaf um ein bis zwei manchmal auch drei Runden zu verlängern. Dann nichts wie raus aus den Federn und mit Schallgeschwindigkeit eilig durch die Wohnung huschen und meine sieben Sachen zusammensuchen, anstatt einfach den Stress rauszunehmen und direkt aufzustehen. Spätestens wenn ich richtig wach bin, ärgere ich mich über mich selbst und merke, was ich eigentlich auch Angenehmes verpasst habe. Eine entspannte Tasse Tee, nebenbei etwas gefrühstückt oder auch so ein bewusster Start in den Tag mit Gott an meiner Seite. Das sind die kleinen Momente, in denen ich einfach mal in meinem Alltag „versage“!
Diese Kombination von Ärger und Scheitern erlebe ich enorm oft in meinem Alltag. Sei es nach einer schlecht gelaufenen Klausur oder wenn ich meine, mir selbst gesteckten Ziele nicht erreicht habe. Ebenso auch dann, wenn ich das Gefühl habe, Erwartungen nicht erfüllen zu können. Besonders aber in Situationen, in denen meine Angst über mich siegt und mir bewusst wird, dass ich doch nicht alles so perfekt im Griff habe, wie ich es gerne hätte. Allein die Tatsache, dass meine Angst mir so viele Möglichkeiten aufzeigt, wie ich scheitern könnte, nimmt mich gefangen. Und mein Mut, zu zeigen, was in mir steckt, verschwindet von Minute zu Minute, anstatt es einfach mal zu wagen und dann zu schauen, was passiert. Es gibt auch noch die Momente, wo ich noch so viel tun und machen kann, aber Dinge einfach nicht funktionieren wollen.
Auch zwischenmenschlich werde ich regelmäßig mit meinem Scheitern konfrontiert. Eigentlich könnte ich mich endlich mal wieder bei meiner Oma melden oder dem Obdachlosen was Gutes tun. Ihm einfach mal einen Kaffee spendieren, anstatt nur vorüberzugehen. In meinen Freundschaften und Beziehungen geht es so weiter. Wenn ich auf einmal komplett anders handle, als ich es von mir kenne oder eine unpassende Reaktion zeige und ich mich am Ende wieder einmal über mein eigenes dämliches Verhalten ärgere. Bestimmt fallen dir auch sofort reihenweise Momente ein, in denen du auch das Gefühl hast, zu „versagen“…
Wir versagen. Mal in unserem Handeln und mal als Person. Mal haben wir es nicht in der Hand und mal schon. Wir versagen. Jeden Tag, mal mehr, mal weniger, aber unterm Strich sind wir nicht perfekt.
Neben den alltäglichen Dingen, in denen man mehr oder weniger scheitert, gibt es doch eine besonders harte Nuss, an der ich zu knabbern habe.
Mein Versagen als Christ!
Unter Christen habe ich manchmal das Gefühl, ich müsse gewisse Dinge leisten, um als „gute Christin“ dazustehen. Zum Beispiel in den Gottesdienst gehen, regelmäßig Bibellesen, beten, spenden, gute Taten vollbringen oder andere solcher Sachen. In letzter Zeit ertappe ich mich immer wieder dabei, wenn ich aus Situationen herausgehe und mein Verhalten reflektiere und bemerke, dass ich komplett anders handle, als Jesus es tun würde. Früher hatte man Armbänder mit Aufschriften wie WWJD (What would Jesus do?) um den Arm, inzwischen merke ich, dass ich niemals mit meinem Tun und Handeln an Jesus herankommen kann. Ich habe meine Ecken und Kanten, handle nicht, wie Jesus es getan hat und bin Mensch durch und durch. Manchmal stolpere ich mehr nach vorne, als wirklich voranzukommen. Das bewusste Gefühl des Versagens begleitet mich seit einigen Monaten, wie ein Begleiter, den man aber eigentlich nicht haben möchte. Er zeigt mir immer wieder auf charmante Art und Weise Punkte meiner Persönlichkeit auf, die nicht strahlend und glänzend sind.
Eigentlich ist das Gegenteil ist der Fall. Schwach, unperfekt und makelhaft zu sein ist etwas, das ich überhaupt nicht an mir mag. Jeder versucht diese Seiten seiner Persönlichkeit durch aufgesetztes Selbstbewusstsein zu verstecken, um vor anderen nicht als Versager/in und Loser/in dazustehen, weil man vermutlich Angst davor hat, die eigenen Schwächen würden einen nicht liebenswert machen. Ich ertappe mich immer wieder dabei, wie ich mit meinen eigenen Schwächen ziemlich hart ins Gericht gehe und mir nicht eingestehe, welche zu haben.
Warum der Welt zeigen, welche Narben und Kämpfe in einem stecken, wenn es so viel einfacher ist, ein Lächeln aufzusetzen? Gleichzeitig macht man sich, wenn man die unperfekte, schwache Seite zulässt, für andere angreifbar und verletzlich. Umso effektiver, wenn man versucht diese Seiten ins hinterste Stübchen zu verbannen. Doch ich durfte feststellen, dass es eigentlich gar nicht so schlimm ist, Schwächen zu haben. Schließlich bin ich nicht die Einzige, die welche hat.
Eins ist mir klar geworden: Wem versuche ich die ganze Zeit eigentlich zu zeigen, wie toll und perfekt ich bin? Weder mir selbst, noch den Leuten um mich herum und eigentlich auch nicht Gott. Ich muss ihm nicht erst zeigen, was für eine tolle Nachfolgerin ich bin, indem ich alles richtig mache, jede Regel einhalte und zeige, wie perfekt ich als Christin bin…
Seit einigen Monaten habe ich ein Lied besonders lieb gewonnen, das mich immer wieder daran erinnert, dass scheitern vollkommen legitim ist.
„Du bist treu Herr,
Aus „Du bleibst an meiner Seite“ von Tobias Gerster.
an jedem neuen Tag,
du bist treu Herr,
auch wenn ich versag.“
Witzigerweise kam mir das Lied letzten Sommer wie ein Gedankenblitz beim Fahrradfahren in den Kopf. Über dem Neckar ragte ein unheimlich großer, wunderschöner Regenbogen über das Flussufer. Der Regenbogen hat mich an seine eigentliche Bedeutung erinnert. Bereits in der Bibel bei Noah setzt Gott nach der Sintflut einen Bogen in die Wolken und zeigt damit sichtbar: Er steht zu seinem Bund mit uns Menschen.
In diesem Moment hat mich Gott an sein Versprechen für mich ganz persönlich erinnert. Er ist treu und er steht zu mir und seinem Bund mit mir persönlich. Ich muss in dieser Beziehung nicht beweisen, dass ich es wert bin, seine Tochter zu sein.
Gleichzeitig ertappe ich mich dabei, wie ich mich für mein Versagen schäme und es mir nicht eingestehen möchte, weil ich Angst habe, nicht vollkommen genug zu sein. Wir haben Angst vor Gottes Verurteilung. Dabei ist er nicht derjenige der uns verurteilt, sondern er ist es, der sich wünscht, dass wir mit leeren Händen zu ihm kommen und ihm und seinem Wort ehrlich Vertrauen und Glauben schenken. Dieses Geschenk, das ihm die Beziehung wichtiger ist, als uns an den Pranger stellen und unser Versagen und Scheitern aufwiegen zu wollen, das ist wirkliche Gnade (ein Geschenk, das wir wirklich nicht verdient haben).
Aktuell stecke ich mal wieder in einer solchen Situation, bei der vorne bis hinten alles schief gelaufen ist. Gerade dann ist es, ehrlich gesagt, schwer diese Zusage anzunehmen. Wenn sich alles komplett gescheitert anfühlt, ich anfange an mir und meine Fähigkeiten zu zweifeln und alles in Frage zu stellen. Es sind die Momente, in denen es mir unheimlich schwer fällt, dieses Geschenk der unbegrenzten Treue anzunehmen und zugesagt zu bekommen: „Hey Tamara, ich sehe, wie du versuchst, das alles hinzubekommen und alles was du gibst. Und auch wenn es sich nach Versagen anfühlt, so ändert es doch nichts an meiner Sichtweise über dich.“
Auch wenn es sich heute anders anfühlt als gestern, als noch alles in Ordnung war und man das Leben gefeiert hat, so ist es doch die Wahrheit, auf deren Seite ich mich stellen möchte. Ohne Frage fordert es mich heraus, daran festzuhalten, dass alles zu einem größeren Plan gehört, aber ich weiß, dass ich mein Vertrauen auf den einen setzen will, der alles besser im Blick hat, als ich selbst.
Nach der Erkenntnis verschwinden diese schlechten Gefühle nicht von jetzt auf gleich, aber ich darf jeden Tag aufs Neue lernen, dass Gott kein Problem damit hat, wenn ich scheitere und mal am Boden liege. Er schenkt mir den Mut, mein Scheitern nicht zu verurteilen. Er nimmt mich bei der Hand und ich bekomme täglich eine neue Chance. Das Lied ist noch immer in meinem Ohr, aktuell mehr denn je. Ich möchte es als Lichtpunkt an meinen Horizont setzen und mich daran festklammern. Die letzte Zeile habe ich es für mich umgeschrieben:
Du bist treu Herr,
besonders dann, wenn ich versag.
Danke an Free-Photos für das Beitragsbild.
Hast du auch Lust einen Gastbeitrag für die Alltagspropheten zu schreiben? Dann schreib am besten eine Mail an info@alltagspropheten.de oder kontaktiere uns über Social Media.