Bestellt und tatsächlich abgeholt

Lena, 23, bald Sozialarbeiterin, liebt gute Brezeln und frischen Kaffee (am Besten in Kombination). Kann sich sehr gut Gesichter merken, aber leider selten Namen. Bestaunt gerne die Natur und andere schöne Dinge.


Endlich geht das Studentenleben los, in einer schönen Stadt, mit viel Sonne. Endlich das lernen, was mich wirklich interessiert, mit dem Fahrrad durch die Altstadt cruisen, neue Freunde kennenlernen, eine coole Gemeinde finden…

So, oder so ähnlich waren meine Gedanken, als ich vor knapp vier Jahren mein Studium in einer fremden Stadt startete. Ich hatte mir schon ausgemalt, wie alles werden würde – Freiheit genießen, erwachsen werden und natürlich glücklich sein. 

Wie gesagt, ich war voller Vorfreude, Mut und Erwartung, was da so auf mich zukommen würde. Durch verschiedene Einflüsse hatte ich das Bild vor Augen, das man besonders als Christ gleich irgendwo eine neue Gemeinde finden müsse und dort dann voll einsteigen könne.

Das hat dann alles erstmal nicht so geklappt, wie ich mir das vorgestellt hatte. Mein Studium begann zum Wintersemester – so konnte ich das mit der Sonne erstmal vergessen. Fahrrad war auch nicht drin, da ich im ersten Semester außerhalb wohnte und S-Bahn fahren musste. Das Studium hat mir auch nicht auf Anhieb gefallen und die Gemeindesuche gestaltete sich ebenfalls als schwierig. Ich meine, es war nicht so, dass ich zu Hause saß und gewartet habe, ob mich jemand findet und einsammelt. Ich habe meinen Mut zusammengenommen und bin allein zu christlichen Veranstaltungen, in Gottesdienste, zu Campus und so weiter gegangen. Dort haben sich die Leute auch oft gefreut und mir gesagt, dass es wahnsinnig cool sei, wenn neue Leute kommen und sie sich unglaublich freuen würden. „Wow”, dachte ich, „mega cool“. Doch in der nächsten Woche erinnerte sich irgendwie niemand mehr an mich und ich stand plötzlich wirklich wie bestellt und nicht abgeholt herum. Versteht mich nicht falsch – ich will die Gemeinden nicht irgendwie schlecht machen oder so, das sind einfach Erfahrungen, die ich gemacht habe.

In mir wuchs Unzufriedenheit, Frust und Enttäuschung. „Warum bekomme ich das nicht hin?“, „Was mache ich falsch, bin ich falsch?“, „Jesus, was ist da los?“. In Gesprächen mit anderen Christen kam oft relativ am Anfang die Frage, ob ich denn in der neuen Stadt eine Gemeinde gefunden habe. An sich keine schlimme Frage, bekundet ja Interesse. Wenn ich aber dies etwas beschämt verneinte, hatte ich das Gefühl, mein Gegenüber weiß nicht so richtig, wie er oder sie reagieren soll. Irgendwann bekam ich den Eindruck, dass mein Glaube von der Zugehörigkeit zu einer Gemeinde abhing und fing an, das auch selbst zu glauben. 

Mit der Zeit wurde mir dann klar, dass es keinen Sinn hatte, etwas zu erzwingen und mit Druck an die Sache heranzugehen und es absolut okay ist, keine feste Gemeinde zu haben, in der man vom Kindergottesdienst bis zur Seniorengruppe alle kennt. Klar, in der Bibel steht, dass man als Christ die Gemeinschaft suchen soll – das glaube ich auch und halte es für wichtig. Aber man kann auch ein erfülltes Glaubensleben haben, wenn man vielleicht kleine Gemeinschaften, wie zum Beispiel eine Zweierschaft, hat. 

Nun bin ich entspannter geworden und gehe mal in die Gemeinde zum Gottesdienst, manchmal in die andere, manchmal gar nicht. Irgendwann habe ich auch angefangen im CVJM (Christlicher Verein junger Menschen) mitzuarbeiten und hatte so Kontakt zu anderen Christen. 

Es haben sich dann auch noch paar andere Sachen geändert. Seit ein paar Monaten geht’s mir echt gut – ich habe viel über mich gelernt. Zum Beispiel, dass es zum Leben dazu gehört, auch mal „schlechtere Phasen“ zu haben und dass es auch nicht schlimm ist, das zu haben und ich trotzdem ein erfülltes Leben leben kann. Ich glaube an Jesus und so habe ich natürlich viel dafür gebetet, ihn gefragt und war auch wütend auf ihn, dass das alles nicht so wird, wie ich das will. Und ja, Jesus ist kein Wunschautomat und mit ihm zu leben heißt auch nicht, dass immer alles super ist. Es heißt Leben mit allem was dazu gehört, mit Höhen und Tiefen und dem Wissen, dass Jesus da ist und spürt, wie es uns geht – „Du salbst mein Haupt mit Öl, ´um mich zu ehren`, und füllst meinen Becher bis zum Überfließen.“ Psalm 23,5.  Krasser Zuspruch, oder? Gott, der König, den wir ehren sollen, ehrt erstmal uns und er gibt uns sogar mehr, als wir brauchen und vielleicht auch wollen. 

Ich habe auf Zeichen und Wunder gewartet. Und Jesus hat sie mir gezeigt, nicht actionmäßig auf einen Schlag, sondern ganz still, Stück für Stück und immer wieder – ich konnte sehr wertvolle Freundschaften schließen, die Stadt ist bei Sonnenschein wunderschön und ich lebe gerne hier, bin im zweiten Semester in eine wunderbare WG in Innenstadtnähe gezogen und mein Praxissemester war voll die Bestätigung für mich, dass ich das Richtige studiere und ich in diesem Beruf arbeiten will. Irgendwann hat sich dann ein Gefühl der Zufriedenheit eingestellt und ich war und bin glücklich, wie alles wurde und ist, obwohl sich manche Vorstellungen nicht erfüllt hatten. Ich bin Jesus dankbar, dass er mir gezeigt hat, dass ich auch dann glücklich und zufrieden sein kann, wenn es nicht so läuft, wie ICH mir das vorstelle. Wie ihr vielleicht gemerkt habt, kommen in diesem Text sehr oft die Wörter ICH und MEINE Vorstellungen vor. In Anbetracht dessen, dass ich es mit Jesus zu tun habe, kann ich getrost meine Pläne und Wünsche abgeben (was auf keinen Fall immer leicht ist) und schauen, was er daraus macht (ich darf ihm alle meine Wünsche sagen und dafür bitten, möchte aber bereit sein, seinem Willen zu folgen). Und er hat mich eingeladen, ihm echt mein ganzes Leben anzuvertrauen. Das fällt mir zwar nicht immer leicht, aber ein Mann weit über 60 meinte letztens zu mir, dass wir immer Lernende bleiben – das beruhigt mich dann doch 😊 

Wenn man in der Bibel liest und sich die Biografien der Menschen dort mal genauer ansieht, fällt auf: niemand hatte das perfekte Leben. Viele der Menschen waren auch öfter in echt brenzligen Situationen, die meisten hatten Zweifel und haben sich gefragt, wo das alles hinführt und trotzdem ist das Wichtigste, dass Gott sie nie, wirklich nie verlassen hat, sondern gerade in solchen Situationen unglaublich nah war und oft etwas mit ihnen vorhatte oder ihnen etwas mitteilen wollte. Ich bin der Überzeugung, dass das für uns heute noch genauso gilt.

Ich persönlich habe viel aus der Zeit mitgenommen und bin dankbar für die Zeit, die ich in dieser Stadt wohnen durfte, dankbar für die tiefen Freundschaften, die ich dort geschlossen habe und freue mich auf die nächsten paar Monate, die ich dort leben kann, bevor es Abschiednehmen heißt. Ich bin gelassener geworden, was Vorstellungen und Erwartungen betrifft, bin auch ein Stück gestärkter, weiß, dass ich schwach sein darf und ich weiß auch, wie ich nächstes Mal anders an die ganze Sache rangehen kann. 


Das Beitragsfoto stammt von Claudio Schwarz von Unsplash.

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