Ist das minimalistisch oder kann das weg?

Am Ende unserer Minimalismus-Serie will ich Bilanz ziehen. Minimalismus – brauchen wir das oder kann das weg?

Eigentlich eine zutiefst minimalistische Frage! Aber ist das auch eine gute Frage? Jein, würde ich sagen und ich erkläre warum. Einerseits hilft mir diese Frage bewusste Konsumentscheidungen zu treffen und mich selbst vor Ramsch und dem Hängen an Dingen zu schützen. Auf der anderen Seite glaube ich, dass diese Frage eine Denkweise fördert, die in erster Linie nach dem Nutzen fragt. Man nennt das auch Utilitarismus. Und das finde ich nicht immer gesund. Ich glaube, dass eine starke Orientierung am Nutzen unsere Empfänglichkeit für Schönheit und Liebe verkümmern lassen kann. Wie meine ich das? 

Kennt ihr Tierdokus? Dort wird oft dargestellt wie Tiere mit großer Farbenpracht und Kreativität um ihre Partner werben. Und auf solche Szenen gibt es zweierlei Sichtweisen. Die eine ist utilitaristisch und evolutionistisch und würde eine solche Szene zum Beispiel so verstehen: Das Vogelmännchen hat über tausende Jahre diese Art von Farben entwickelt, weil sich herausgestellt hat, dass das die Wahrscheinlichkeit erhöht, sein Erbgut in irgendeinem Vogelweibchen versenken zu können. Eine andere Sichtweise wäre, einfach zu staunen und sich an der verschwendungsbereiten Schönheit zu freuen, die einen an die Liebe und Hingebung erinnert, die auch zwischen Menschen blühen kann. Liebe und Schönheit haben einen Zweck, aber sie brauchen ihn nicht und interessieren sich nicht dafür. Die erste Sichtweise ist richtig, aber die letztere ist gut. Ich glaube, dass ein utilitaristischer Minimalismus uns taub und blind machen kann für Dinge, die das Leben ausmachen.

Brauchen wir also Minimalismus? Ja unbedingt! Aber besser wäre es, wir bräuchten ihn nicht. Minimalismus ist im Prinzip eine Haltung, die sich über die Abgrenzung von einer ungesunden Konsumkultur definiert. Und genau das finde ich gut. Minimalismus sollte seine rebellische Anti-Haltung behalten und die Machtausübung der Werbungsbranche und anderen indirekten Konsumzwängen konterkarieren. Gäbe es die nicht, bräuchten wir keinen Minimalismus. Der Minimalismus hilft uns in einer komplexen Welt etwas klarer zu sehen, damit wir uns auf das fokussieren können, was wirklich wichtig ist: innerer Frieden, Genügsamkeit, Gerechtigkeit, Fairness, Nächstenliebe und Verantwortung. Minimalismus ist gut und bleibt sich treu, indem er Mittel zum Zweck bleibt. Nämlich indem er uns zur Verwirklichung von dem hilft, was wirklich wichtig ist. 

Minimalismus selbst sollte keinen Eigenwert haben. Er würde sich selbst verraten und das passiert öfter als gedacht. Minimalismus ist hip. Minimalismus ist chic. Und das wird schamlos zur Konsumanregung ausgenutzt. Ich finde, man kann nicht minimalistisch konsumieren. Man kann nur minimalistisch nicht-konsumieren. Vielleicht kennt ihr Influencer, die ihren sexy minimalistischen Lifestyle darstellen. Man schaut es sich an und denkt: das brauche ich auch! Es macht mich frei, fair und fancy! I need it! Und zack, will man sich ein Tiny House kaufen, weil man plötzlich nicht mehr mit seiner 0815-Wohnung zufrieden ist. Schon hat der Minimalismus sich selbst verraten und sich an die Werbe- und Konsumindustrie verkauft. Und genau deswegen sollte Minimalismus keinen Eigenwert haben. Was keinen Wert hat, kann man nicht konsumieren. 

Wir halten übersteigerten Konsum letztendlich dadurch am Leben, dass wir uns über unser Konsumverhalten definieren. Ich finde das ungesund. Konsum darf uns nicht definieren und genau dazu sollte der Minimalismus beitragen. Genauso ungesund und dumm ist es allerdings, wenn wir uns darüber definieren, was wir nicht konsumieren. Und genau das passiert, wenn der Minimalismus als Lifestyle vermarktet wird und sich damit selbst unterminiert. Das soll nicht passieren und deshalb bin ich der Meinung, dass der Minimalismus seine Anti-Haltung beibehalten muss und dabei auf jeglichen Selbstwert verzichten sollte. Lasst uns nicht den Minimalismus feiern, sondern ihn als Vehikel zu größeren Zielen verstehen. Als etwas, dass uns daran erinnert, was wirklich wichtig ist.

Lukas.

Photo by Glen Carrie on Unsplash

Mit weniger mehr zu Gott

Ich schließe meine Wohnungstür hinter mir. In meinem Kopf gehe ich nochmal meine Standardpackliste durch, ob ich auch wirklich alles dabeihabe. Meine 65 m2 Wohnung ist nun wieder auf fünf Radtaschen und knappe 100 Liter Stauraum komprimiert. Doch bevor es losgeht kurz zu mir. Ich bin Stefan, 28 Jahre alt. Neben meinem Job dreht sich mein Leben um meine Frau, meine Gemeinde und natürlich um Gott. In der mir verbleibenden Zeit bin ich viel draußen unterwegs, vor allem mit dem Fahrrad. So ist es naheliegend, dass ich und teils meine Frau meinen/unseren Urlaub auf dem Rad verbringen. 

Doch was begeistert mich an dieser Art des Reisens? 

Die Antwort ist erstaunlich einfach: Es ist die Schlichtheit das eigene Leben nur auf das im Moment Notwendige zu begrenzen. So habe ich nur fünf Taschen an meinem Rad, die die Zimmer in einer Wohnung repräsentieren. Die eine Tasche ist das Schlafzimmer: Zelt, Schlafsack und Isomatte. Eine andere ist die Küche: Topf, Pfanne und Kocher. Dann gibt es noch das Badezimmer und den Kleiderschrank in einer Tasche, sowie eine Wertsachentasche. Wenn ihr mitgezählt habt fällt auf, dass noch eine fehlt: die Speisekammer. So hat alles seinen Platz und ich weiß zu jeder Zeit, wo welcher Gegenstand ist. Könnt ihr das von eurer Wohnung behaupten? Ich jedenfalls nicht.  

Für mich beginnt jede Radreise damit meine Wohnung in diese Taschen zu komprimieren.

Außerdem habe ich auf jeder Radreise das Gefühl, dass Gott für mich sorgt, denn ich vertraue ihm die Reise an und lasse mich tragen. Als ich dieses Jahr auf dem Spreeradweg unterwegs war und aufgrund der Coronaauflagen wild zelten musste, hatte ich wieder solch eine Begegnung, die mir Gottes Fürsorge gezeigt hat. Es war der erste wirklich heiße Tag in diesem Jahr mit über 30 Grad. Mein Körper war dies noch nicht gewohnt und ziemlich ausgelaugt. In Cottbus habe ich dann glücklicherweise einen Brunnen gefunden, an dem ich mich erfrischen konnte und später als ich meinen Schlafplatz gesucht habe, bin ich einem Ehepaar aus Mönchengladbach begegnet, die mir eine eiskalte Cola und leckere Knacker geschenkt haben. In meinem Alltag sind diese beiden Sachen eine Banalität über die ich mich nicht so richtig freuen würde. Doch in diesem Moment war es so etwas unfassbar Großes für mich. 

In Psalm 37, Verse 4-5 steht: „Freu dich am Herrn, und er wird dir geben, was dein Herz wünscht. Überlass dem Herrn die Führung deines Lebens und vertraue auf ihn, er wird es richtig machen.“  Dieser Psalm steht so stark über all meinen Radreisen. Leider schaffe ich – und vielleicht auch du – es nicht Gott im Alltag genauso zu vertrauen. Aber ich habe durch meine Radreisen gelernt, dass wenn wir das tun, dann wird es auch gut. Also sollten wir über solche Dinge, wie ich über meine Radreisen, Gott kennenlernen, erfahren und Vertrauen zu ihm aufbauen. Diese kleinen Schritte ermöglichen uns die Chance, das Vertrauen auf Gott aufunser ganzer Leben zu übertragen und anzunehmen. Das ist definitiv kein einfacher Weg, aber auf jeden fall ein lohnenswerter!

Du hast es geschafft den Text bis zum Schluss zu lesen? Dann hoffe ich, dass ich dir eine kleine Erbauung in deinem Alltag geben konnte. 

Falls du Interesse hast mehr über meine Radreisen zu erfahren, lade ich dich ein, meinen Youtube Kanal zu besuchen und dir dort meine Videos anzuschauen. Ich würde mich darüber freuen und freue mich auch über Anmerkungen zu den Videos oder dein Abo 😉. 

Gute Kunst: Überflüssiger Überfluss

In unserer aktuellen Serie „Überflüssiger Überfluss“ beleuchten wir den Minimalismus aus verschiedenen Blickwinkeln. Leider reichen ein paar Beiträge überhaupt nicht aus, um die Vielschichtigkeite des Minmalsmus wirklich abzubilden. Darum haben wir uns für euch natürlich auch wieder auf die Suche nach guter Kunst begeben, die euch noch mehr ins Thema reinnimmt.

Schreibt uns gerne in die Kommentare, wenn ihr noch weitere Gute Kunst zum Minimalismus kennt 🙂


Minimalist Landscape Photography

George Digalakis, A forest of pillars. © George Digalakis.

George Digalakis
An introduction to minimalism
“Less is more” – “Less but Better” – Two statements exactly expressing the essence of minimalism as an art movement and philosophy of life. In a purely philosophical level it is best described by Reductionism, a concept stating that every complex phenomenon can be reduced to simpler or more fundamental phenomena. As an art movement it concerns more the visual arts, and less so music, architecture etc. Emphasis is given to simplicity, limiting the work to a minimal quantity of colors, forms and lines.


Spotify-Playlists

Da wirklich minimalistische Musik nicht so ganz unser Ding ist (und es außerdem schon einige Spotify Playlists dazu gibt, z.B. die von Thijs Paanakker), wir euch aber trotzdem an dem teilhaben lassen wollen, was uns begeistert und was wir mit Minimalismus assoziieren, haben wir für euch die This is: The XX Playlist verlinkt, weil sie für mich der Inbegriff von unfassbar guter minimalistischer Kunst sind.


Netflix

Doku: Weniger ist Jetzt

Eine gute, kurze Einführung in den Minimalismus und was er mit unserem Leben zu tun hat.

Serie: Aufräumen mit Marie Kondo

Ihre Ansichten sind momentan sehr en vogue und sie hat den aktuellen Minimalismustrend populär gemacht. Von Joschka auch im Einleitungstext zu dieser Serie schon kurz angesprochen. Ob man ihre Ideen gut findet oder nicht, bleibt jedem selbst überlassen, aber seht selbst.


Film: 100 Dinge

Eine Komödie über Materialismus und was man wirklich braucht.


Film: Expedition Happiness

Eine wirklich bewegende Doku über das Leben im Bus und das Unterwegssein von Alaska nach Südamerika, der Soundtrack ist auch mega!


Wo sammelst du deine Schätze?

Elke. Seit 6 Jahren glücklich verheiratet, fast 3 Kinder, Doktorandin der Naturwissenschaften und aktiv in einer freien christlichen Gemeinde in Reutlingen … naja und ganz ehrlich liebäugelt sie schon mit einem großen Tiny-House.


Vor ein paar Tagen hatte ich eine kleine Unterhaltung mit unserer Bäckersfrau, die vor uns in unserer Wohnung wohnte. Sie fragte mich: „Jetzt, da ihr das 3. Kind bekommt – wird es nicht langsam etwas zu eng bei euch?“. Meine Antwort: „Nö, eigentlich nicht.“, erstaunte sie etwas, da sie ja unsere 56 m² (2 Zimmer) Wohnung gut kennt. 

In Deutschland und vor allem hier auf dem schwäbischen Kuhdorf herrscht immer noch die Meinung, dass man doch als Familie genug Wohnraum, am besten eigentlich ein Haus braucht. Ein eigenes Kinderzimmer für jedes Kind und am besten noch Arbeits- und Gästezimmer sind gern gesehen. Wie soll ich sagen – haben wir halt alles nicht. 

Als mein Mann und ich vor 6 Jahren in diese Wohnung gezogen sind, waren wir beide Studenten und froh im Großraum Reutlingen/Tübingen überhaupt etwas bekommen zu haben. Nachdem unsere erste Tochter geboren war, dachten wir, dass wir vielleicht maximal zwei weitere Jahre dort wohnen würden und es dann viel zu eng wäre. Drei Jahre später kam das zweite Kind und wir begaben uns tatsächlich auf Wohnungssuche – vergeblich. Also arrangierten wir uns mit der Situation und misteten erstmal großzügig aus. Warum eine ganze Wand mit dem Kleiderschrank vollstellen, wenn man eh viel zu viel hat und am Ende doch nur seine 3 Lieblingshosen braucht. Der Kleiderschrank wurde abgebaut und durch einen viel Kleineren ersetzt. Es tut so gut nur noch Lieblingsteile zu haben und nicht mehr das „Ach-das-zieh-ich-doch-bestimmt-nochmal-an-Kleid“! Ebenso haben wir es mit den Kindersachen gehandhabt. Jedes Kind hat ein Fach in der Hemnes-Komode, das reicht völlig. Wenn wir bei anderen Kindern zu Besuch sind, sehe ich vollgestopfte Kinderzimmer mit Spielzeug, welches nur in der Ecke liegt. Auch hier ist weniger so viel mehr. Wir entscheiden uns ganz bewusst dafür, was die Kinder in ihrem Alter zum Spielen benötigen und überlegen vor jedem Kauf was wirklich wichtig ist.

Mit dieser geänderten Einstellung „WAS WIRKLICH WICHTIG IST“ haben sich unsere Besitztümer deutlich reduziert. In einer kleinen Wohnung kann man nur aufbewahren was man wirklich braucht, dies schränkt uns aber nicht ein, sondern ist unglaublich befreiend. Wir versuchen keine emotionalen Beziehungen zu Gegenständen aufzubauen und wollen nicht an unserem Besitz hängen. Viel wichtiger sind uns die emotionalen Beziehungen zu unserem Mitmenschen. Ein offenes Haus und Gemeinschaft sind unsere Reichtümer, nicht das 10. Paar Schuhe oder das schicke Einfamilienhaus im Neubaugebiet. Materieller Besitz ist so vergänglich und kann einem leicht entrinnen, oder wie Jesus es in Matthäus 6:19 sagt: „Sie werden nur von Motten und Rost zerfressen oder von Einbrechern gestohlen!“. Die Schätze im Himmel sind es, die wir sammeln sollten. Mit Gottes Gedanken und zu seiner Ehre Gutes tun, Beziehungen aufbauen und von ihm berichten. Wer sich nur hier auf materielle Dinge konzentriert, wird auch sein Herz daran hängen, oder anders ausgedrückt:

„Wo nämlich euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein.“

Matthäus 6:21

Wir sollten uns immer wieder fragen, wo wir unsere Schätze sammeln. Häufen wir in dieser Welt Reichtümer an oder sammeln wir Schätze im Himmel? 

Ich möchte keineswegs dagegen sprechen sich ein Häuschen zu bauen, die Frage ist nur welchen Stellenwert dies im Leben einnimmt und ob zum Beispiel noch Ressourcen für ein aktives Gemeindeleben da sind. Wir haben als Familie beschlossen, vorerst lieber etwas räumlich reduziert zu leben, dafür aber viel Platz im Herzen zu haben. Unser größter Schatz ist es, von Gott berichten zu können und flexibel zu sein, was Gott mit uns vorhat und wohin er unser Leben leiten wird. 

Morgen werde ich jedenfalls der Bäckersfrau erzählen, dass es auch mit drei Kindern noch gut in der Wohnung funktionieren wird und wir dadurch gezwungen sind zu entscheiden, was wirklich wichtig ist. 


Danke an DaYsO für das Beitragsbild von Unsplash.

Im Auto zu Hause

Sandra. 24 Jahre. Hauswirtschafterin. Hat so Hobby und Beruf vereint. Lebt auf dem Dobel. Liebt es, Gott in der Natur zu entdecken. Dachzeltnomadin. Urlaub am liebsten in Skandinavien. Umweltschützerin, um Gottes Schöpfung zu ehren.


Wir träumen alle von verschiedenen Dingen, wie beispielsweise einem gewissen Lifestyle. So träumte ich schon ewig vom Campen und mit einem eigenen Wohnwagen unterwegs zu sein. Einfach losfahren und alles dabeihaben. Das war mein Traum. 

Ich wurde älter und ließ den Traum in meiner Schublade liegen. Er verblasste. Es gab tausend Gründe, es zu lassen. Um es dann doch zu wagen, brauchte ich einen Anstoß.

Gott vergisst unsere Träume zum Glück nicht, sondern schenkt uns Möglichkeiten. Ich habe mit kaum jemandem darüber geredet, nicht mal mit Gott. Aber er kennt mich besser und schenkte mir Mut. Ein Kollege von mir lebt bereits im Auto und geht viel Campen. Durch ihn sah ich, dass es möglich ist. Er hat es vorgemacht und mir Mut gemacht. Ich erkannte, dass ich Geld für ein Dachzelt habe und dass es auf mein Auto drauf passt.

Nach dem Zelt kümmerte ich mich um eine Küche für mein Auto. Es hat richtig Spaß gemacht, sie zu planen und zu bauen. Es fehlt immer noch einiges, aber ich freue mich riesig darauf, es zu verwirklichen. 

Wenn man Mut gefasst hat, ist es wichtig, nicht zu viel darüber nachzudenken, sonst lässt man es am Ende doch bleiben. Stattdessen: ausprobieren und loslegen. Ganz einfach beginnen und dann immer wieder überarbeiten. 

Es ist richtig genial, draußen zu schlafen. Man schläft ganz anders und wird von der Natur geweckt. Man erlebt Gottes wunderbare Schöpfung hautnah. Es ist ein wundervolles Erlebnis, morgens aufzustehen, wenn die Sonne einem ins Gesicht scheint. Jede Wetterlage zu spüren – Kälte, Regen, Wind. Mittlerweile finde ich es komisch, im Bett zu schlafen und nicht vom Wetter geweckt zu werden. Kaum schlafe ich mal eine Nacht im Haus, vermisse ich mein Zelt. 

Über Solarstrom kann man seinen eigenen Strom produzieren und damit das Handy laden. Beim Fahren wird mein Strom aufgeladen, der alles versorgt: Kühlbox, Handy, Wärmedecke, Powerbank, meine Lampe… 

Ich habe alles dabei in meinem Kombi. Schlafzimmer auf dem Dach, Wohnzimmer mit Tisch auf der Rückbank sowie Kühlschrank mit Vorräten und Strom. Im Kofferraum meine Küche zum Ausfahren, unter dem Kofferraumboden ist noch ein Keller. Ich koche und esse draußen an der frischen Luft. 

Man schätzt durch diesen Lebensstil jeden Luxus wie fließend warmes Wasser ganz neu. Und wenn wir ehrlich sind: Man braucht nicht wirklich viel zum Leben. Für mich ist es eine Küche im Auto, Schlafen auf dem Dach und unterwegs sein. In der Natur erkenne ich Gottes unfassbare Größe. Es ist ein Abenteuer, als Dachzeltnomadi – wie wir uns im Internet nennen – unterwegs zu sein. Es ist unglaublich, wie viele Menschen genauso leben und unterwegs sind. 

Es ist trotzdem nicht so wie das Vanlife aus dem Internet. Dann hat man keine Zange um die Kappe von den Gasflaschen zum Kochen zu bekommen. Der Strom ist plötzlich leer, da er beim Fahren nicht geladen wurde, weil man ihn nicht richtig angeschlossen hat. Der KFZ-Adapter geht plötzlich nicht. Das Zelt klappt um, da ein großer Windstoß kommt. Solche Beispiele habe ich schon erlebt. Aber genau das macht einen kreativ. Man lernt, in all den Situationen, die Ruhe zu bewahren, es sieht manchmal schlimmer aus, als es ist. Manchmal ist der Strom doch nicht so wichtig oder es ist anders möglich. 

Heute im Rückblick, bin ich froh, dass ich es gewagt habe. Ich bekam auch nicht so viel Gegenwind, wie ich dachte. Ganz im Gegenteil – viele Menschen feiern mich dafür. Das macht richtig Mut auf dem Weg zu bleiben und nicht alles hinzuschmeißen, wenn es mal nicht klappt.

Es lohnt sich Träume zu verwirklichen, denn es erfüllt und macht Spaß. Man wächst mit seinen Träumen und Gott hilft dabei. Ich spüre ihn und seine Gegenwart wieder ganz neu, wenn ich mich so mitten in seiner Schöpfung befinde. 

Ich möchte Mut machen, Träume zu verwirklichen. Einfach mal wieder in die alten Schubladen schauen, was man da mal geträumt hat. Einfach loslegen, mehr als schiefgehen, kann es nicht. Es lohnt sich anzufangen! 

Wer noch mehr wissen möchte, über mich und das Dachzelten, kann sich gerne melden 🙂 Am besten per Mail an: rickert_sandra@web.de

WHAT WOULD JESUS WEAR?

Heute geht’s um Minimalismus im Kleiderschrank. Aber nicht darum, wie viele Kleidungsstücke in einen minimalistischen Kleiderschrank gehören, sondern vor allem welche. Denn ich verbinde mit einem minimalistischen Kleiderschrank ganz besonders die Wertschätzung jedes einzelnen Kleidungsstücks.

Aber welchen Wert hat Kleidung in unserer Gesellschaft? Welchen Wert hat Kleidung für dich? Und was macht ein Kleidungsstück (für dich) wertvoll?

Jahrelang kaufte ich mir neue Kleidung ohne zu hinterfragen, wie es überhaupt möglich war, diese zu so günstigen Preisen produzieren zu können und ohne auch nur einmal die Produktions- und Lieferkette meiner Kleidungsstücke zu recherchieren.
Vor vier Jahren informierte ich mich aber (finally!) über die Herstellungs-, Transport- und Arbeitsbedingungen der größten Textilindustrien weltweit. Und vor vier Jahren entschied ich mich dazu, keine Kleidung mehr zu kaufen, die in diesen Textilindustrien hergestellt wurde.

Eine Entscheidung, die mich zwar anfangs herausforderte, aber die mit jeder meiner weiteren Recherchen sicherer und unabdingbarer wurde. Eine Entscheidung, die für mich als Christin, aber auch für mich als junge, deutsche, privilegierte Frau mehr als überfällig war. Eine Entscheidung, von der ich mir wünsche, dass sie noch so viel mehr Menschen treffen.

Warum?

  • Mehr als 70 % aller Textilien und Kleider, die in die EU importiert werden, kommen aus Kleidungsindustrien in Asien und Afrika. In den Industrien herrschen meist prekäre Arbeitsbedingungen (z.B. keine Sicherheitsvorschriften, keine Krankenversorgung, Akkordarbeit, schlechte Bezahlung, Forderung von Überstunden, etc.) *
  • In Bangladesch stürzte 2013 eine achtstöckige Textilfabrik ein. Mehr als tausend Arbeiter:innen starben, fast 2500 Menschen wurden verletzt. Ähnliche Unglücke passieren leider immer wieder.
  • 80% der Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie sind Frauen. Die meisten von ihnen sind unter 25 Jahren alt. Viele von ihnen sind minderjährig. Mehr als 70% der Frauen haben körperliche oder sexuelle Gewalt am Arbeitsplatz erfahren. Aus Angst, ihren Job zu verlieren, trauen sie sich meist nicht, sich zu wehren. Zudem werden Frauen in der Textilindustrie bis zu 30% weniger bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Bei Schwangerschaft und Krankheit gibt es kein Gehalt und keine Beurlaubung.
  • 93% der Textilunternehmen zahlen ihren Arbeiter:innen keinen Existenzlohn. Das bedeutet, dass die Textilarbeiter:innen ihre grundlegendsten Bedürfnisse und die ihrer Familie nicht decken können und deshalb viele Überstunden machen. Eine Näherin im Kambodscha verdient monatlich 146€, obwohl der Existenzlohn im Land bei 477€ liegt. Eine Näherin in Äthiopien verdient monatlich sogar nur 25€, obwohl sie mindestens das Doppelte bräuchte, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können.
  • Bedingt durch die Corona-Pandemie haben weltweit viele Textilarbeiter:innen ihre Arbeitsplätze verloren oder enorme Lohnausfälle erlebt, weil sie keine sicheren Arbeitsverträge hatten und auf kein Versorgungsnetz zurückgreifen konnten. Existenzielle Armut ist die Folge.

Das ist moderne Sklaverei!

Für mich stand fest: Mit jedem weiteren Kauf neuer Kleidung, die unter diesen grausamen und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in den Textilindustrien produziert wurde, trug ich mit Schuld daran, dass Textilarbeiter:innen weiterhin weltweit ausgebeutet wurden!

Dabei wollte ich als Christin doch Jesus Auftrag nachkommen, meine Nächsten so zu lieben wie mich selbst und mit ihnen so umzugehen, wie ich es mir von ihnen wünschte. Aber wenn ich das wirklich wollte, konnte ich diese schockierenden Wahrheiten nicht ausblenden oder mit Aussagen wie „Ich bin noch Studentin und kann mir fair-gehandelte Kleidung nicht leisten“ relativieren!

Ich beschäftigte mich intensiv mit dem Thema und schnell untermauerten noch weitere schockierende Wahrheiten meine Entscheidung…

  • Die Modeindustrie verursacht mit 1,2 Milliarden Tonnen CO2 im Jahr mehr CO2 als der Schiffs- und Flugverkehr zusammen und trägt damit enorm zur Klimakrise bei.
  • Für die Gewinnung von 1kg Baumwolle werden ca. 170 Badewannen Wasser benötigt. Für das Färben von 1kg Garn nochmal 60 Liter.
  • 17-20% der weltweiten Wasserverschmutzung entstehen bei der Textilveredelung. 1kg Garn wird mit ca. 1kg Chemikalien bearbeitet, wovon ein großer Teil ins Abwasser gelangt.

Die Textilindustrie fördert also nicht nur moderne Sklaverei, sondern stellt auch noch eine enorme Umweltbelastung dar! Darüber hinaus setzt „Fast Fashion“ ein schnelllebiges, von Trends bestimmtes und auf hohen Profit ausgerichtetes Konsumverhalten auf Kosten der endlichen Ressourcen unserer Erde. Immer mehr Kleidung soll immer schneller und immer günstiger produziert werden, damit immer wieder neue Modetrends zu immer wieder neuen Käufen verleiten.

Aber was passiert dann mit all der Kleidung, die plötzlich nicht mehr dem Trend entspricht?

  • 1,3 Millionen Kleidung werden pro Jahr weggeschmissen. Pro Sekunde wird eine LKW-Ladung voll Kleidung verbrannt.
  • Alle 5 Minuten werden 1 Millionen neue Kleider hergestellt. Davon kauft jeder Mensch durchschnittlich 25kg im Jahr.
  • Jedes 5te Kleidungsstück im Kleiderschrank wird so gut wie nie getragen. Damit liegen ca. 1 Milliarde Kleidungsstücke ungetragen im Kleidungsschrank.

Das ist doch kaum zu glauben, oder?!
Die Lieferketten der Modeindustrie sind so unübersichtlich und intransparent, weshalb eine Nachverfolgung schwierig ist. Große Textilketten versuchen durch Marketing und PR-Maßnahmen ein „grünes Image“ zu erlangen, in dem sie „Greenwashing“ betreiben, obwohl Nachhaltigkeit und Umweltschutz noch immer nicht auf ihrer Agenda stehen. Kleidung wird immer mehr zu einem billigen Wegwerfprodukt.

Als ich mich mit all diesen Fakten auseinandersetzte, fühlte ich zuerst eine starke Ohnmacht in mir. Wie sollte ich irgendetwas an der Situation verändern? Was konnte ich tun?

Ich entschied mich für einen Boykott.
In den ersten zwei Jahren kaufte ich mir tatsächlich gar keine neue Kleidung. Das lag aber vor allem daran, dass mein Kleiderschrank ohnehin gut und reich bestückt war. Irgendwann brauchte ich neue Schuhe und fand ein tolles Paar auf Vinted (ehemals Kleiderkreisel), einer Secondhand-Plattform für Kleidung, Schuhe, Accessoires. Mit den Jahren informierte ich mich über nachhaltige und faire Modellabel und über Siegel, die faire und nachhaltige Mode auszeichneten. Die Kleidung war zwar teurer, aber dadurch überdachte ich meine Kaufentscheidungen in jedem Fall gut.

Heute hängt in meinem Kleiderschrank ein bunter Mix aus Kleidung, die ich schon jahrelang besitze und noch immer gerne trage, aus neu ergatterten Second-Hand-Schätzen und aus ein paar neu gekauften, fair-gehandelten und nachhaltigen Lieblingskleidungsstücken. Jedes dieser Teile trage ich regelmäßig und wenn mir etwas nicht mehr gefällt, verschenke oder verkaufe ich es.

But to be honest: es kostet mich durchaus immer mal wieder Überwindungskraft und Willensstärke, an meiner Entscheidung festzuhalten – insbesondere, wenn ich an Schaufenstern vorbeigehe und die schönen Kleider zu verlockenden Preisen sehe… Aber wenn ich mir die obigen Fakten wieder bewusst mache, weiß ich, dass sie keinen Kompromiss wert sind!

Ich schreibe diesen Beitrag aus dem Herzenswunsch heraus, mit meiner Entscheidung auch DICH inspirieren zu können, dein Kaufverhalten neu zu reflektieren und gemeinsam mit mir der Textilindustrie ein Zeichen zu setzen. Ich wünsche mir, dass wir die Menschen sehen, die unsere Kleidung hergestellt haben und dafür nicht ansatzweise gerecht entlohnt wurden. Ich wünsche mir, dass wir lernen, die endlichen Ressourcen unserer Erde wieder wertzuschätzen und uns neu fragen, wie viel Kleidung wir wirklich brauchen. Ich wünsche mir, dass wir uns unserer Privilegien bewusst werden und einen zunächst mal einen Anfang wagen.

Wie wird dein Kleiderschrank nachhaltiger, minimalistischer und fairer?

  1. Mach deinen Kassenbon zu deinem Wahlzettel!
    Mach dir bewusst, dass du in deiner Rolle als Konsument:in Macht hast, Veränderungen in Gang zu setzen! Treffe bewusste und reflektiere Kaufentscheidungen und fordere damit die Textilindustrie zum Umdenken heraus! Dein Kassenbon entscheidet, in welche Richtung sich die Textilindustrie entwickelt.
    „Konsument:innen entscheiden, was in welcher Menge produziert wird. Natürlich verändert ein Mensch alleine nicht die Welt, aber viele Individuen schon. Revolutionen passieren durch Individuen.“ – Jonathan Safran Foers
  2. Stelle dir folgende Fragen, bevor du dir ein neues Kleidungsstück kaufst:
  • Brauche ich dieses Kleidungsstück wirklich? Habe ich bereits ein Ähnliches?
  • Muss ich dieses Kleidungsstück neu kaufen oder kann ich es gebraucht im Internet oder auf dem Flohmarkt bekommen?
  • Wird es mir auch noch in 3 Jahren gefallen?
  • Kann ich es gut mit meinen anderen Kleidungsstücken kombinieren?
  • Ist die Qualität gut genug, damit ich es über viele Jahre tragen kann?

3. „Weniger ist mehr!“
Miste deinen Kleiderschrank regelmäßig aus und gib die Kleidung, die du nicht mehr trägst zu einer Kleidersammlung oder stell sie im Internet (z.B. auf Vinted) rein. Dann kann sich jemand anderes noch darüber freuen.

4. Informiere dich (und Andere)
…über moderne Sklaverei heute:
https://ijm-deutschland.de/sklaverei-heute/arbeitssklaverei

…über die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie weltweit und die Notwendigkeit von Existenzlöhnen:
https://femnet.de/
https://cleanclothes.org/
https://www.missio.at/naeherinnen-in-aethiopien/

…darüber, wie das neue Lieferkettengesetz aussieht und aussehen sollte: https://lieferkettengesetz.de/

…über Labels, die fair gehandelte und nachhaltige Kleidung produzieren:
https://fairknallt.de/facts/
https://aniahimsa.com/2019/12/06/fair-eco-fashion-guide-das-sind-meine-lieblingslabel/

& über Modeaktivismus:
https://fashionchecker.org/de/
https://fashionchangers.de/


* die genauen Quellen zu den Fakten habe ich aufgrund der Lesbarkeit nicht direkt verlinkt. Viele Informationen kannst du über die obigen Links nachlesen. Wenn du Interesse an den konkreten Quellenangaben hast, kannst du dich gern bei mir melden.


Minimalismus muss man sich leisten können

Ich bin ein sehr inkonsequenter Mensch, sagte ein weiser Mann neulich zu mir. Das beeindruckte mich und ich fing an über meine eigenen Inkonsequenzen nachzudenken. Seit einigen Monaten feiere ich den minimalistischen Lifestyle, der auf Insta & Co. ziemlich nice aussieht. Als mir dann bewusst wurde, wie viel Zeug sich über die Jahre im Haus meiner Eltern ansammelt, fing ich an, mir intensiver Gedanken zu machen, wie ich später leben möchte.

Minimalismus ist ein Luxusproblem. Das meine ich völlig wertfrei. Das stimmt nicht, wirst du jetzt sagen. Und dass sich schon die griechischen Philosophen darüber Gedanken gemacht haben, wie wir mit unserem Besitz umgehen. Dass viele Menschen aus religiösen Gründen ein einfaches Leben leben. Und dass Minimalismus eine Stilrichtung in Kunst, Architektur und Musik ist. Und du hast recht damit. Aber das ist nicht der Minimalismus, über den ich heute schreiben will. Deshalb noch einmal: Minimalismus ist ein Luxusproblem. 

Warum? Weil nur Menschen, die viel haben, darüber nachdenken können, freiwillig mit weniger zu leben. Andersrum ist es komplizierter. Menschen, die arm sind, streben nach Wohlstand und haben es deshalb schwerer. Das ist ein absurder Kreislauf, der sich über Generationen erstreckt. Ich würde ihn gern durchbrechen, aber weiß nicht, wie.

Wenn wir heute über Minimalismus reden, denken wir an Tiny Houses oder die Netflixserie „Aufräumen mit Marie Kondo“. Diese beiden Beispiele zeigen schon, wie viele Facetten Minimalismus hat. Für manche ist das ein radikaler Lebensstil, für andere bedeutet das, dass man seine Siebensachen ausmistet. Dahinter steckt, dass wir uns heute in einer hochkomplexen Welt überfordert fühlen und nach Orientierung suchen. Ich mag diesen Ausdruck “hochkomplex” nicht, weil ich denke, dass die Welt in ihrer Zeit stets für die damals Lebenden komplex war. Und ich finde, dass man Komplexität nicht wirklich steigern kann (ja ich weiß, im Duden steht das anders). Entweder ist etwas komplex oder nicht. Aber nicht mehr oder weniger komplex.

Weil sich das Ganze nicht mit einem Beitrag abhaken lässt, wollen wir in den kommenden Wochen in einer AP-Serie darüber nachdenken, was wir zum Leben brauchen. Ich fände einen minimalistischen Lebensstil geil, aber durchziehen würde ich das nicht wirklich. Und bevor ich irgendetwas Radikales mache, bleibe ich lieber konsequent inkonsequent und dabei ehrlich zu mir selbst.

by spaghettihirn

Hart, herzlich, Heimat

Jeder, der mal seine Heimat verlassen hat, kennt das: Der Weg nach Hause steht an. Bei den einen öfter, bei den anderen eher selten. Bei den einen vorfreudig, bei den nächsten unliebsam. Ein Familienfest, ein Geburtstag, eine Hochzeit oder – wie in meinem Fall – ein Junggesellenabschied. Hinzu kommt noch die Zeit der Semesterferien, die manche länger und andere wiederum kürzer daheim, also zu Hause oder in der alten Heimat verbringen. Diese Hommage geht an all diejenigen raus, die gerne emotional aufgeladene, vor Vorfreude sprudelnde Comebacks feiern. An alle, die einen neuen Lebensabschnitt an einem neuen Ort angefangen haben und immer mal wieder heimkehren. An all diejenigen, die gerne auf die guten alten Zeiten anstoßen. An alle, die gerne nostalgisch werden, wenn am Lagerfeuer beim Kaltgetränk Erinnerungen geteilt werden. 

Florian, 24 Jahre jung und aus dem schönen, schwäbischen Teil des Nordschwarzwalds bei Calw (#Vollblutschwabe). Seine Leidenschaften: Gastgeber sein, stupides Fußballschauen, Sport aller Arten mit anderen Leuten zelebrieren und machen, Musizieren und Dummschwätzen. In Freundschaften schätzt er am meisten Ehrlichkeit und Humor.

Nur um eines klarzustellen: Ich bin niemand, der ungern studiert, Akademikerkreise hasst und weg von zu Hause musste. Allerdings hatte ich nach drei Jahren Bachelor und der täglichen Pendelei die Gewissheit, nochmal was ganz anderes studieren zu müssen. Ein Studiengang, den ich von zu Hause nicht erreichen konnte. Hinzu kam das Gefühl, das finale Flügge Werden passiert nicht im eigenen Kinderzimmer. Dieses Gefühl wurde in meinem Falle durch alte Schultüten sowie uralte Poster von der VfB-Meistermannschaft 2007 verstärkt: Sie hängen bis heute in meinem Kinderzimmer.

Dennoch fragte ich mich, woher diese Heimatverbundenheit kommen kann. Meine kurze Antwort: Hart aber herzlich. Während ich erlebe, dass in wunderbaren Städten wie zwischen Nordbaden und Mittelhessen großartige Menschen Sensibilität, Empathie sowie Gespräche unter vier Augen (die ab und an in gefühlten tiefenpsychologische Analysen ausarten) großgeschrieben werden, ist das anderswo komplett verschieden. So ist es in meiner Heimat etwas anderes, was ich dort an meinen Allerliebsten schätze: Selbstironie, homogene Massen von bis zu 20 Leuten, die in Sport- und Freizeitanliegen schnell auf einen Nenner kommen, sowie die Bereitschaft auch mal einen Spruch zu drücken, nur um sich in der nächsten Sekunde wieder zu vergeben und weiter zu necken. Und sich, wenn es Kaltgetränke gab, tief in den Armen zu liegen. Wo mit 23 Jahren auch mal eine Klobürste unter der Bettdecke liegt. Wo sich mit gepflückten Brennnesseln Schmerzen gegen die Wade zugefügt werden, wo blaue Flecken ein Zeichen von gelebter Männerfreundschaft sind und wo ein Weizenbier mehr wert ist als ein verklemmter Caipirinha. Ich glaube, dass ich stundenlang so weiter schreiben könnte. Da geht mir persönlich einfach das Herz auf, wie die Sonne am 21. Juni. Zum Beispiel, dass H.P. Baxxter bei Roadtrips mehr Wert für die Gemeinschaft gibt, als Salsa und Reggeaton-Parties. Oder dass zarte Berührungen mit einem herzhaften Klaps in den Nacken ersetzt werden und somit die sechste Sprache der Liebe darstellt. Nun aber Schluss: So langsam werden diese Beispiele zu persönlich sowie männerspezifisch und dieser Text noch subjektiver als er sowieso schon ist. 

Doch nochmal: Das sind alles Dinge, die mit Sicherheit auch da passieren, wo wir eben nicht groß geworden sind, wo wir studieren, mittlerweile leben, hingezogen sind. Menschen sind überall unterschiedlich und auch nirgends genau gleich. Wenn du die Chance in deinem Leben bekommen hast, Freundschaften aus unterschiedlichsten Breiten- und Längenkreisen zu kennen, sieh es nicht als Last oder Druck an, selbst, wenn du mal wieder in der Bahn oder im Auto sitzt und dir denkst, was das für ein Stress ist. Sei dankbar und dir bewusst, dass du sowohl für daheim als auch für daheim in der Heimat berufen bist. Eine bleibende Stadt haben wir auf Erden sowieso nicht (Hebräer 13,14). Und eines kann mir, und dann auch hoffentlich dir, keiner nehmen: Heimatgefühl pur spürbar und dankbar zu genießen. Hart, aber herzlich. Selbst für jemanden, der gerne tiefgehende, persönliche Gespräche unter vier Augen genießt.

Bei all den Pauschalisierungen könnte ich mir vorstellen, dass viele Menschen, egal ob von „daheim“ oder „daheim, daheim“, sich durch diese Zeilen aufregen könnten und mir meine Wortwahl irgendwann um die Ohren fliegt. Andere wiederum werden sich erfreuen, dass sie nicht die Einzigen sind, die zwischen den „Welten“ verschieden tickende Umfelder und Freundeskreise hegen und pflegen dürfen. Zum Abschluss noch eine Floskel, die wohl nirgends besser passen würde, als hier: Das eine schließt das andere niemals aus.

Vorbild? Jesus!

Flooo. 29. Landesjugendreferent beim Südwestdeutschen EC-Verband. Glücklicher Familienvater und begeisterter Jesus-Nachfolger.


Wenn ich so über verschiedene Vorbilder nachdenke, fallen mir zwei verschiedene Arten ein. Zum einen kann ich Vorbilder nehmen, die mich ganz persönlich geprägt haben. Das sind oft Leute, die mir nahestehen – wie meine Eltern oder ein Jugendleiter, der mich während meiner Zeit als Teenager geprägt hat. Dann gibt es aber auch noch Vorbilder, die vielleicht gerade aus der Distanz heraus stark prägen können. Berühmte Persönlichkeiten, wie Musiker und Künstler oder auch Politiker und Aktivisten. Durch ihre Werke, ihr Wesen und ihre Art schaffen sie es, Eindrücke bei uns zu hinterlassen, die uns ins Staunen bringen und inspirieren ihrem Vorbild zu folgen.

Ich selber bin Christ und habe viele Vorbilder gehabt, die mich im Glauben inspiriert, ermutigt und vorangebracht haben. Das waren sowohl Vorbilder aus meinem direkten Umfeld, aber auch Vorbilder, die ich nie persönlich kennengelernt habe. 

Doch ein Vorbild, das alles überragt, ist der Ursprung aller Vorbilder im Glauben: Jesus selbst. Jesus trägt als Sohn Gottes (Markus 1,11), Mittler der Schöpfung (Kolosser 1,16) und Sündenbock für die Schuld der Welt (Johannes 1,29) einige Titel mit sich herum. Er ist womöglich die bedeutendste Figur der Weltgeschichte und legt in so vielem eine beeindruckende Art an den Tag. 

In Johannes 8 wird von einer Geschichte berichtet, wo Jesus mit einer sehr herausfordernden Situation konfrontiert wird. Er ist gerade im Tempel in Jerusalem, um zu beten, als jüdische Schriftgelehrte, die ihn verachteten, eine Ehebrecherin zu ihm bringen. Diese Frau müsste nach dem Gesetz für ihre Taten gesteinigt werden. Jesus, der das Gesetz in keiner Weise auflösen oder aufheben möchte, steht nun vor der Herausforderung diese Situation irgendwie zu lösen. Er könnte die Frau abkanzeln für ihre Sünde und sie ihren Peinigern überlassen. Das wäre nach dem Gesetz korrekt. Doch Jesus entscheidet sich für einen anderen Weg. Er lädt die Schriftgelehrten ein, über ihr eigenes Leben nachzudenken –  mit den berühmten Worten:

„Wer von euch ohne Sünde ist, werfe zuerst einen Stein auf sie.“

Die Bibel. Johannes 8,7.

Daraufhin verlassen die Schriftgelehrten die Szene und Jesus und die Frau werden alleine gelassen. Niemand ist da um sie zu verurteilen. Jesus tritt zu der geschundenen Frau und sagt zu ihr:

„Auch ich verurteile dich nicht. Gehe nun hin und sündige fortan nicht mehr.“

Die Bibel. Johannes 8,11.

Er rettet der Frau das Leben. Aber zu welchem Preis? Widerspricht Jesus nicht an der Stelle dem Gesetz von Mose? Muss er die Frau nicht für das, was sie getan hat, verurteilen? Wie kann er sagen „Ich verurteile dich nicht“? Ich glaube Jesus kann das sagen, weil wenige Zeit später er selbst das Urteil für diese Frau auf sich nehmen wird. Jesus stirbt am Kreuz für die Schuld dieser Welt. Für die Schuld dieser Frau, sodass sie nicht sterben muss, sondern leben kann. Diese Szene treibt mir die Tränen in die Augen, da ich hier jemandem vor mir habe, der nicht nur weise Worte von sich gibt. Sondern jemanden, der bereit ist sein Leben zu geben für die Verurteilten und die Ausgeschlossenen. An vielen anderen Stellen kann man diesen Geist von Jesus sehen und nicht anders als staunen über diese Liebe, die dieser Jesus zu anderen Menschen hat. 

Doch Jesus ist nicht nur ein entferntes, distanziertes Vorbild. Jesus lebt in mir (Galater 2,20) und kommt ganz nah an mein Herz. Wenn man die großen Vorbilder, denen man zeitlebens nachgelaufen ist, dann doch mal kennenlernt, merkt man schnell wie sie auch entzaubert werden können. Nämlich, dass diese Vorbilder dann plötzlich gar nicht mehr so beeindruckend sind, wie man es zuerst gedacht hätte.

Doch bei Jesus finde ich das anders. Wenn er mir nahekommt, wird seine Art, wie sie in der Bibel beschrieben wird, plötzlich ein persönlicher Zugang, bei dem er mir die Hand ausstreckt und nicht zulässt, dass ich zuschanden werde. Dort wird er mir Vorbild, indem er mir dient – ein großartigeres Bild für gute Vorbilder werde ich nirgendwo finden.

Flüchtlinge, Frechheiten, Fantasie

Shit, habe ich das Handy mitgenommen? Ich greife hektisch an die Tasche meiner Arbeitshose. Zum Glück, ich hab‘s mit. Das wär’s ja noch gewesen. Bin eh schon spät dran. Sorry, ich hab mich gar nicht vorgestellt. Ich bin Bernd. Bernd Rau, Klempner hier in Brothausen. Geschäft läuft okay. Hab ne kleine Firma mit drei Angestellten. Boris, Detlef und Želko. Wir sind die einzigen hier im Ort, Fachkräftemangel. Deswegen haben wir immer alle Hände voll zu tun. Reich werden kannste damit nicht, aber zum Leben reicht‘s. Bin gerade auf dem Weg zur Baustelle. Und es ist schon dreiviertel acht. Deswegen die Eile. Die Jungs sind wahrscheinlich schon fleißig dabei. Das sind echt gute Leute. Bin froh, dass ich die hab. Das ist heute ja nicht mehr selbstverständlich. Die meisten in meiner Branche nehmen nur noch die Rumänen, Ukrainer, Türken und was nicht alles. Da kannste froh sein, wenn du noch deutsch mit denen sprechen kannst. Aber ich kann mich nicht beklagen. Gut, der Boris und der Želko, die sind aus Bulgarien. Aber das sind gute Jungs, die sind auch schon einige Jahre da. Ich glaub, der Želko ist sogar hier geboren. Wie auch immer. 

Gerade wird hier im Ort ein Gebäude kernsaniert. Und wir sind gerade dabei die ganzen alten Rohre rauszureißen und neu zu verlegen. Die Frist ist knapp, bin gespannt ob wir da pünktlich fertig werden. Bin angekommen. Stell den Wagen ab, schnapp mir mein Zeugs und nix wie hoch in den dritten Stock. Ganz schön runtergekommen hier. Die Sanierung hatte die Bruchbude hier echt nötig. Auf der Treppe fällt mir noch ein, dass ich den Jungs noch ein bisschen Feuer machen muss. Im positiven Sinn. „Moin“, sag ich. „Moin, Chef“, sagt Detlef. „Wir haben schon mal die Kippe für den ganzen Schrott da unten aufgebaut. Kann losgehen hier!“. „Wunderbar“, sag ich. „Wir müssen heute mit der halben Etage hier fertig werden, schaffen wir das?“, frag ich energisch. Boris runzelt die Stirn und brummt: „Dann mal los!“ 

Wir ackern bis zur Frühstückspause. Schweißen den ganzen Schrott nach unten, aber die haben hier gute Kupferrohre verbaut. Die sind was wert und wir können die zum Glück behalten. Deswegen sammeln wir die hier drin. Draußen kann sich ja jeder bedienen. „Jungs, ich muss nochmal in die Firma fahren und das ein oder andere erledigen. Bin gleich zurück!“ Den ganzen Papierscheiß, Dokumentation, Rechnungen, Steuern, Telefonate und so weiter. Wenn das nicht wäre, wäre das echt einer der geilsten Jobs der Welt. Mit den Jungs auf der Baustelle. Zusammen was schaffen, das macht echt Spaß. Aber muss halt sein.

Zurück auf der Baustelle. „Und Männer, alles klar hier?“ „Geht voran“, sagt Želko. Aber seit ner Stunde wühlt da ne Frau in unserem Container rum. Ich glaub, die sucht was zum Verkaufen. Ich hab schon gerufen, sie soll weggehen, aber hat sie nicht gemacht.“ Ich sag: „Wie, die fühlt da rum. Zeig ma!“ Wir gehen zum Fenster und ich schau runter. Da wühlt echt ne Frau in der Kippe rum. Ich fasse es nicht! Das ist ja dreist! Und komisch, die muss ungefähr mein Alter sein, aber irgendwie türkisch oder Persien oder so. Warum ist die da? „Ich geh runter und klär das mal“, sag ich. Auf Weg nach unter spielen sich schon alle möglichen Gesprächsszenarien in meinem Kopf ab. Bin sehr gespannt, was das da gleich gibt. Ob die überhaupt deutsch versteht? „Entschuldigung?!“, rufe ich. „Was machen Sie denn da?“ Sie springt erschrocken aus unserer kleinen Mulde. Sie sieht ziemlich mitgenommen aus. Die Sachen sehen alt und durchgetragen aus, aber nicht so pennerhaft, sondern nur alt. Die Angst steht ihr ins Gesicht geschrieben. Ich hebe beschwichtigend eine Hand. „Keine Angst, ich will ja nur mal fragen, weil das da meine Mulde ist“, sag ich ruhig. Sie zieht die Schultern hoch. „Sorry, sorry, for mother-in-law“, erwidert sie in mit starkem Akzent. „A okay, verstehen Sie deutsch?“, frage ich. „Deutsch, bisschen“, entgegnet sie mit einem leicht gezwungenen lächeln. Die Situation wurde jetzt etwas entspannter. „Und was willst du mit dem Schrott, verkaufen? Brauchst du Geld? Sell for money?“, sagte ich und versuchte es mit unbeholfener Gestikulation zu unterstützen. Leider war mein Englisch eine Katastrophe. Sie nickte. „Yes, yes. Mein mother-in-law und ich, refugees, flüchten, from Syria. She said, maybe, ich kann sell scrap“, sagt sie nach Wörtern ringend. „Schrott verkaufen!“, helfe ich ihr auf die Sprünge. Sie nickt. „We live next to Recycling-center.“ „Wertstoffhof, aha, haben Sie eine Wohnung gefunden, found apartment?“ „Just a room, we get a little money, but need more, to buy bed and cooker.“ “O Mann, nicht mal Bett und Herd haben Sie. Haben Sie noch mehr Familie, Mann, Kinder?“, frag ich. Die haben doch eigentlich immer Familie dort. Ihr Blick wird traurig und sie schaut zu Boden. „No, no, my husband, my father-in-law, brother-in-law died in war. And I have no contact to my old family, because I became a Christian, they are Muslim. But my mother-in-law, she is from Germany, from here, Brothausen. She came to Syria 30 years ago.” Aus Brothausen, dachte ich, die muss ich doch kennen. Als ich Kind war, sind einige hier aus dem Dorf ausgewandert. Gab keine Arbeit und dann sind viele gegangen. „Aha, vielleicht kenn ich die ja, von früher!“, antworte ich ihr. „Und wissen Sie was, Sie können hier alles mitnehmen, was Sie brauchen können! Und sagen Sie einen lieben Gruß an die Schwiegermutter!“ „Thank You, danke!“, sagt sie mit leuchtenden Augen. 

Ich dreh mich um, geh wieder hoch und fühle mich irgendwie gut, dass ich helfen konnte. „Und Chef, haste Sie weggeschickt?“; fragt Boris. „Ne, die ist ganz arm dran, Flüchtling aus Syrien. Die ist wohl mit ihrer Schwiegermutter gekommen, die kommt wohl ursprünglich hierher. Familie ist im Krieg gestorben, und so weiter, aber habs nicht alles genau verstanden. Und sie ist irgendwie Christ aber ihre Familie nicht oder so. Egal, die haben da wohl nen Zimmer neben dem Wertstoffhof und ihre Schwiegermutter hat sie Schrott sammeln geschickt, dass sie sich Möbel kaufen können“, erklär ich die Szene in Kurzform. „Ja, macht die jetzt weiter?“, fragt Želko. „Jo, ich habs ihr erlaubt. Die hat ja sonst nix“, sag ich. „Das ist doch kaum zu fassen“, bemerkt Detlef etwas ausgebracht. „Die kommen von überall her, fressen unsere Steuergelder und jetzt nehmen sie schon unseren Schrott und unsere Wertstoffe und irgendwann klauen sie uns die Arbeitsplätze.“ „Detlef, mach ma halblang“, sag ich. „Das sind zwei arme Frauen, die ihre Familie im Krieg verloren haben.“ „Ja weißte, meine Mutter ist mit 39 an Krebs gestorben und mein Vater hat gesoffen wie ein Loch. Ich hab mich auch hochkämpfen müssen, dass ich jetzt da bin, wo ich bin und hab nix vom Staat bekommen.“ Wir diskutierten noch ein bisschen. Aber gut. Ich will die Stimmung in der Firma nicht zerstören, muss ja auch jeder seine politische Meinung finden.

Am nächsten Tag, noch morgens, wir waren gerade gut am Schaffen, ruft Boris: „Chef, die ist wieder da.“ Und tatsächlich, da unter war sie wieder und suchte nach Verwertbarem. Die Sache war mir gestern Abend nicht aus dem Kopf gegangen. Ich hatte mich gefragt, ob man nicht mehr tun könnte oder müsste, ohne jetzt irgendwie über die Stränge zu schlagen. Ich hatte da schon eine Idee, aber wer weiß, wie die Jungs reagierten. „Wisst ihr was?“, rief ich. „Die teuren Kupferrohre hier, schmeißt die einfach runter.“ „Jetzt ehrlich?“, fragt Zelko. „Jap“, sag ich. „Chef, du meinst es wohl ein bisschen zu gut“, sagt Detlef. „Ich werd aber nicht kürzer treten, nur wegen irgendeiner Flüchtlingsfrau.“ „Mensch Detlef, hab ich je schlecht gezahlt? Das geht natürlich auf meine Kappe“, sag ich etwas genervt und enttäuscht über das Misstrauen. Aber man kann es eben nicht allen recht machen. Während des Tages, schaue ich immer mal wieder raus, ob sie die Kupferrohre auch nimmt. Tut sie. Davon kriegt sie auf jeden Fall erstmal alles, was sie braucht. Am späten Nachmittag fahre ich dann nochmal ins Büro für ein paar Anrufe und Papier. 

Als ich gegen Abend rauskomme, steht die Frau vor mir. „Hallo“, sag ich. „Thank You, I know, you give the tubes”, erwidert sie strahlend. “Man tut, was man kann”, sag ich möglichst bescheiden und geschmeichelt. „May I ask you something rude?“ Was war nochmal `rude´? Meine Vokabelkenntnis ist einfach peinlich. Irgendwie bin ich gespannt, was sie jetzt sagt. „Ja, was denn?“, frag ich. „Please, could you offer me a job? I need it for application for residence in Germany, and for money, so I can take care for my mother-in-law.” Ich gucke etwas überrascht oder entsetzt? Weiß nicht, ich kann mich ja nicht selbst sehen. Ich runzle die Stirn und atme seufzend aus. Keine Ahnung, ob ich mir das leisten kann. „Was können sie denn?“, sondiere ich. Was wird das hier eigentlich, ein Bewerbungsgespräch auf dem Bürgersteig? „In Syria, I work in administration in a company.“ Mh, klingt mir nicht nach handwerklich begabt. Aber wenn sie nur etwas besser deutsch sprechen könnte, könnte ich sie als Art Sekretärin gebrauchen. Dann wär ich auch diesen ganzen Telefon- und Papierscheiß los. „Wissen Sie was?“, sag ich. „Ich sage ihnen morgen Bescheid, was ich machen kann. Ist das okay?“ „O, thank you, vielen Dank“, antwortet Sie etwas ungläubig, aber hoffnungsvoll. „Wie heißen Sie eigentlich?“ „Ruth“, sagt sie. „Bernd“, sag ich. 

Seitdem ist ein halbes Jahr vergangen. Ich hatte mir den nächsten Tag frei genommen, um mich nach allen möglichen Dingen zu erkundigen. Rechtliches, Finanzielles und nach Deutschkursen. Dann habe ich am nächsten Tag die frohe Kunde überbracht. Der Deal, den ich mir überlegt hatte, war folgender: Ich stellte Ruth auf 450 Euro Basis an, aber sie besuchte zwei Monate lediglich den Deutschkurs, den ich über die Firma finanzieren konnte. Ab dann konnte ich sie in die Firma einarbeiten, aber nur halbtags, während sie weiterhin deutsch lernte. Das Telefonieren musste ich erstmal noch übernehmen. Aber sie war erstaunlich geschickt mit allen möglichen PC-Geschichten und Verwaltungssachen, die für mich immer nur undurchsichtig und nervig waren. Seit vier Wochen hat sie einen richtigen Arbeitsvertrag. Die Jungs mussten das erstmal schlucken, besonders Detlef. Želko und Boris sind da glaub ich verständnisvoller, weil deren Eltern selbst mit nichts hierher kamen. Aber jetzt, wo sie sehen, dass ich viel mehr Zeit habe, um vor Ort mit anzupacken, haben sich alle Zweifel gelegt. Für die Firma war die ganze Sache schon ein finanzielles Wagnis. Mein Gewinn war ziemlich dünn die letzten Monate, aber so ist das als Selbstständiger. Es geht eben mal hoch, mal runter. Seit einigen Wochen geht’s allerdings hoch. Seitdem Ruth voll mitarbeitet, schaffen wir wesentlich mehr Aufträge. Und die jüngsten Neuigkeiten? Aber behaltet sie für euch! Heute habe ich Ruth gefragt, ob sie mit mir ausgeht. Sie hat Ja gesagt.

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Alltagspropheten Talk #13 – mit Alex von den O‘Bros

Heute ist es endlich soweit 🙌🏻
Wir launchen eine neue Podcast-Folge der besonderen Art, in der sich Larissa mit Alex von den O’Bros anlässlich der aktuellen AP-Serie „Alltagshelden“ über das Thema „Vorbilder“ unterhält.

Wer die beiden Brüder Alex und Maxi O. nicht kennt, was mittlerweile sehr unwahrscheinlich ist, der checkt am besten mal schnell ihren Instagram und Spotify Account:

https://instagram.com/obros_official?igshid=10asg99xwj15f

https://open.spotify.com/artist/30vrenVnQWKWHe1rG3AwIy?si=t0-Zx8eGRlCruWLXtHnt6g

In der 30-minütigen Folge reden die beiden nicht nur über die Menschen, die für Alex eine große Rolle in seinem Leben spielen, sondern auch darüber, welche Punkte ihm bei einem Vorbild eigentlich wichtig ist. Alex erzählt außerdem, wie er damit umgeht, als Vorbild in der Öffentlichkeit zu stehen und wie er es geschafft hat, vor diesem großen Druck keine Angst mehr zu haben!

Und natürlich stellt sich Alex auch euren Entweder-Oder-Fragen, welche ihr uns im Vorhinein geschickt habt 😉 Wenn ihr erfahren wollt, warum er gerne mehr Vertrauen lernen möchte, wieso er selbst in Berlin gerne mit öffentlichen Verkehrsmittel unterwegs ist und vieles mehr, dann checkt diese Folge mal bei Spotify, Apple Podcasts oder direkt oben aus.

Viel Spaß dabei ☺️

PS: Lasst uns gerne bei Instagram unter dem Post wissen, wie euch die Folge gefallen hat und ob wir sowas öfter machen sollen:)