Erinnert ihr euch an Freundschaftsarmbänder? Diese vielfarbigen, etwas schief geknüpften Dinger? Wer eins oder mehrere am Handgelenk hatte, war cool. Bekam man eins überreicht, war es regelrecht eine Auszeichnung: ein sichtbares Symbol der Zuneigung und Verbundenheit, hineingeknüpft in ein kleines, knatschbuntes Armband. Meistens waren sie schon nach einem Sommer dunkel vor Dreck und besser war es, wenn man nicht näher dran roch. Diese versifften Fäden wurden aber trotzdem weiter voller Stolz und Ehre getragen. So einfach war das.
Heute ist das schon etwas komplizierter: Als Erwachsene tragen wir keine Freundschaftsarmbänder mehr. Unsere Freundschaften sind heute nicht mehr auf bunte Fadenkunst angewiesen, um Tiefe, Verbundenheit und Echtheit auszudrücken.
Obwohl wir unsere Freundschaften immer unabhängiger und freier gestalten – mit dem Erwachsenwerden erleben wir im Laufe der Zeit auch viel mehr Verletzung und Veränderungen und werden daher vorsichtiger mit der Wahl unserer Freunde. Wir selbst machen auch Fehler, vernachlässigen Freundschaften und verlieren so die ein oder andere. Dadurch entwickeln wir immer mehr ein Gefühl dafür, wie kostbar „gute“ Freundschaften in unserem Leben tatsächlich sind. Und gleichzeitig wissen wir eigentlich gar nicht, wie wir dauerhaft „gute“ Freunde sein können. Nur: wenn man sich oft fragen muss, ob man dem Gegenüber „genug“ (zurück-) gibt, kann es ganz schön anstrengend werden, Freundschaft zu gestalten und als wertvoll zu erleben. Da brauchen wir etwas, das uns Gewissheit gibt.
Aber falls du nun erwartest, dass dieser Artikel ab hier eine erfolgsversprechende DIY-Anleitung darüber wird, wie man die/der perfekte Freund*in wird, muss ich dich leider enttäuschen. Denn eine „gute“ Freundschaft hat, meiner Meinung nach, nur sehr wenig mit Planbarkeit, Perfektionsanspruch und Makellosigkeit zu tun. Deswegen lies trotzdem weiter und du entdeckst vielleicht, warum für eine perfekte Freundschaft niemand perfekt oder immer auf Zack sein muss – und wie wir so eine entspannte Art, Freundschaft zu leben, ganz einfach wertschätzen können.
Wenn mich zum Beispiel jemand auf meine Freundschaften anspricht, meldet sich meist als allererstes mein schlechtes Gewissen: Ich denke dann an drei Nachrichten bei Whatsapp von langjährigen Freunden, seit zwei Wochen unbeantwortet, darunter eine Sprachnachricht, die ich bis jetzt noch nicht mal angehört habe. Ich denke daran, dass ich (peinlich oft) Geburtstage vergesse. Dass ich oft gern viel rede und dadurch weniger zum Zuhören komme. Dass ich sehr selbstkritisch bin und die gleichen hohen Maßstäbe auch bei anderen anlege. Diese Liste ließe sich noch lange weiterführen und alle meine Freunde haben mindestens eine dieser aufgeführten Punkte schonmal mit mir erlebt.
Heißt das jetzt etwa, dass diese Freundschaften mir nicht wichtig genug sind? Dass es nicht „reicht“?
Nein. Es heißt, dass ich die ein oder andere Macke habe. Dass ich nicht perfekt bin und dass meine Macken natürlich zu der ein oder anderen Schwierigkeit im Alltag meiner Freundschaften führen können. Aber trotzdem habe ich Freunde, die mich (nicht erst seit gestern) kennen und die mich trotzdem lieben, so wie ich bin. Ganz ohne die Prämisse, dass ich alle Macken loswerden muss, damit sie mich lieben. Das macht mich sprachlos und überfordert mich manchmal ehrlich gesagt auch ziemlich. Gerade wenn ich an meine Macken denke, frage ich mich häufig, ob ich es jemals schaffen werde, diesen Wert in meinem Part der Freundschaft widerzuspiegeln. Denn ich liebe meine Freunde. Und irgendwie muss ihnen mein „irgendwie“ reichen, um nicht enttäuscht von mir zu sein, trotz all meiner Macken – irgendwie hält etwas unsere Freundschaft zusammen. Was ist aber dieses „irgendwie“? Ich habe es gefunden, Leute. Es ist die pure „Magie der Freundschaft“, ihr Lieben. Kein Scheiß.
Der Ursprung für diese „Magie der Freundschaft“ hat tatsächlich etwas Übernatürliches an sich – sie entspringt am Kreuz: als Jesus, Gottes Sohn starb und wieder auferstand, hatte er sich für uns verschenkt, damit wir in Freundschaft mit ihm und seinem Vater leben können.
Das ist das „irgendwie“, das zumindest die meisten meiner Freundschaften zusammenhält. Das ist der Grund für meine friendship magic. Das heißt, Macken sind noch da und verschwinden nicht einfach. Aber das heißt auch, dass sie keinen Einfluss mehr darauf haben, welchen Wert ich mir oder anderen geben muss, weil Gott mir den höchsten Wert durch Jesu Tod gab. Das befreit ungemein und macht mich zu jemandem, der sich in Freundschaften auch „verschenken“ kann, ohne Gegenleistung zu erwarten. Und es weitet meinen Blick auf mein Gegenüber: auch er/ sie hat den höchsten Wert. Unabhängig von seinen/ ihren Leistungen und Fehlern.
Das heißt, ich brauche keine Gegenleistung für meinen Selbstwert und gleichzeitig muss ich mir keine Sorgen machen, dass ich nicht genug für meine Freunde bin. Vielleicht ist das auf den ersten Blick naiv. Und es schützt auch nicht vor Fehlern, wie etwa davor, dass wir unsere Wertschätzung nicht immer ausdrücken können (ich sollte zumindest bald mal meinen Freunden bei Whatsapp antworten 😊). Ich darf aber auch wissen, dass nicht jeder meiner Fehler gleich eine gesunde Freundschaft zerstört.
Vielleicht sollten wir uns aber auch wieder daran erinnern, was wir als Kinder so leicht konnten: zu vertrauen und die Dinge simpel zu nehmen, wie sie sind. Einfach anhand eines Armbändchens zu sagen oder zu wissen: „Wir sind Freunde – und das reicht für mich, glücklich zu sein.“.
Vielleicht sollten wir auch einfach wieder anfangen, Freundschaftsarmbänder zu verschenken und zu tragen, um uns daran zu erinnern. Sie haben so ganz nebenbei eine wunderbare Erinnerungsfunktion, als ein knatschbuntes Ausrufezeichen am Handgelenk, sich vielleicht mal wieder bei den Freunden zu melden oder ihnen zu sagen, wie froh man über sie ist.
Lynn,
die gleich mal anfängt, ein paar davon zu flechten…

Lynn. 25. Studentin in Heidelberg. Braucht Kreativität und Aktivität. Ist outdoorbegeistert. Liebt Kuchen, Gespräche mit Lachanfällen und lernt gerade, sich von Gott unterbrechen zu lassen.