Fühlt euch frei, aufzustehen

“Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit”, heißt es in einer meiner Lieblingsbibelstellen (2. Kor. 3,17). Und wenn Gottes Geist in christlichen Gemeinden präsent ist, dann sollten doch gerade diese Orte Paradebeispiele der Freiheit sein. So die Theorie. Doch warum fühle ich mich dort oftmals alles andere als frei?

Seit meinem Gespräch mit dem “Bibelraucher”, habe ich mir verstärkt über das Thema Freiheit Gedanken gemacht. Er ist als Kind in zahlreichen Heimen aufgewachsen. Und als Ex-Häftling hat Freiheit in seinem Leben schon immer eine besondere Bedeutung gehabt. Daher unterscheidet er zwischen äußerer und innerer Freiheit. Damit meint er einerseits, dass er hingehen kann, wohin er will und andererseits, dass er sich auch in seinem Herzen frei fühlt. 

In meinem Fall geht es um innere Freiheit, da die christlichen Gemeinden, die ich kenne, ohne Zweifel äußerlich frei sind. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Mein innerer Freiheitsbegriff hingegen hat zwei Dimensionen. Einmal, dass ich frei von etwas sein kann. Und zum anderen, dass ich frei bin, etwas zu tun.

In den vergangenen Monaten durfte ich im Rahmen eines Auslandssemesters für sechs Monate in Zagreb, der Hauptstadt Kroatiens, leben. In diesem halben Jahr habe ich mich so frei, ungebunden und entspannt gefühlt, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Woran lag das? Ich hatte deutlich weniger Verpflichtungen als in Deutschland. Gleichzeitig war meine Mentalität und die meiner Umgebung viel entspannter. Und dadurch war ich viel freier, zu tun, worauf ich Lust hatte. Ich konnte mich insbesondere meiner Leidenschaft, dem Schreiben, widmen. Ich hatte die Möglichkeit, etwas mehr zu reisen als sonst. Und ich konnte mir deutlich mehr Zeit für mich selbst nehmen, sodass die sechs Monate eine echte, wohltuende Auszeit wurden. Alles in allem eine tolle Kombination.

Mit dem Ende des Auslandssemesters kam auch die Angst, dass sich mein Freiheitsgefühl verändert, wenn ich wieder in mein altes Umfeld eintauchen würde. Ich könnte in gewohnte Muster verfallen und mich somit auch nicht mehr so frei fühlen wie bisher. Da ich Freiheit so unglaublich wertvoll finde und dieses Gefühl gerne aus meinem Auslandssemester mitnehmen wollte, habe ich mich deshalb gefragt, ob es wirklich nur an den Umständen lag, dass ich mich im Kroatien deutlich freier gefühlt habe. Denn die konnte ich bekanntermaßen nicht importieren. 

Doch ich kam zu dem Schluss, dass, obwohl meine Umstände zweifellos einen großen Einfluss hatten, mein Freiheitsgefühl zum Großteil in meinem Kopf entstanden ist. Denn dass ich mich häufig im christlichen Gemeindeumfeld nicht sonderlich frei fühle, liegt nicht in erster Linie an der Umgebung. Dass Jesus auf die Erde gekommen ist, um uns Menschen zu befreien und dass Freiheit in der Bibel ein großes Thema ist, spricht grundsätzlich dafür, dass auch Gemeinden Orte der Freiheit sind.

Nicht die Gemeinde engt mich in meiner Freiheit ein. Vielmehr sind es meine eigenen Gedanken, die in mir das Gefühl von Enge hervorrufen, wenn ich in einer Gemeinde bin. Singe ich laut genug mit? Treffe ich die Töne? Muss ich jetzt auch aufstehen, weil alle anderen das machen? Ich weiß, das klingt jetzt sehr klischeehaft, aber ich bin davon überzeugt, dass genau diese Fragen mich maßgeblich in meiner inneren Freiheit einengen. Doch warum sind mir die Antworten auf diese Fragen so wichtig? Vermutlich ist es eine Mischung aus dem Wunsch nach Anerkennung und der Angst, Fehler zu machen.

Als ich – witzigerweise in einem Gottesdienst – darüber nachgedacht habe, warum ich mich dort oft nicht sonderlich frei fühle, war ich letztendlich sehr erleichtert davon, dass es mehr ein gedankliches Problem ist, als das der Gemeinde. Denn es ist einfacher zu versuchen, etwas an oder in mir zu ändern, als an meiner Umgebung. Nichtsdestotrotz wird das ein langer und anstrengender Prozess und ich werde sicherlich noch das ein oder andere Mal in gewohnte Muster verfallen. Aber Einsicht ist ja bekanntlich der erste Weg zur Besserung.

Jetzt würde mich natürlich noch interessieren, ob du dieses Gefühl auch kennst. Und ob du dich – falls du in eine christliche Gemeinde gehst – dort frei fühlst oder nicht. Woran liegt das deiner Meinung nach? Schreib doch am besten eine Mail an info@alltagspropheten.de oder kontaktiere mich via Social Media.


by spaghettihirn

Danke an Joshua Earle für das Beitragsfoto von Unsplash.

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