Hart, herzlich, Heimat

Jeder, der mal seine Heimat verlassen hat, kennt das: Der Weg nach Hause steht an. Bei den einen öfter, bei den anderen eher selten. Bei den einen vorfreudig, bei den nächsten unliebsam. Ein Familienfest, ein Geburtstag, eine Hochzeit oder – wie in meinem Fall – ein Junggesellenabschied. Hinzu kommt noch die Zeit der Semesterferien, die manche länger und andere wiederum kürzer daheim, also zu Hause oder in der alten Heimat verbringen. Diese Hommage geht an all diejenigen raus, die gerne emotional aufgeladene, vor Vorfreude sprudelnde Comebacks feiern. An alle, die einen neuen Lebensabschnitt an einem neuen Ort angefangen haben und immer mal wieder heimkehren. An all diejenigen, die gerne auf die guten alten Zeiten anstoßen. An alle, die gerne nostalgisch werden, wenn am Lagerfeuer beim Kaltgetränk Erinnerungen geteilt werden. 

Florian, 24 Jahre jung und aus dem schönen, schwäbischen Teil des Nordschwarzwalds bei Calw (#Vollblutschwabe). Seine Leidenschaften: Gastgeber sein, stupides Fußballschauen, Sport aller Arten mit anderen Leuten zelebrieren und machen, Musizieren und Dummschwätzen. In Freundschaften schätzt er am meisten Ehrlichkeit und Humor.

Nur um eines klarzustellen: Ich bin niemand, der ungern studiert, Akademikerkreise hasst und weg von zu Hause musste. Allerdings hatte ich nach drei Jahren Bachelor und der täglichen Pendelei die Gewissheit, nochmal was ganz anderes studieren zu müssen. Ein Studiengang, den ich von zu Hause nicht erreichen konnte. Hinzu kam das Gefühl, das finale Flügge Werden passiert nicht im eigenen Kinderzimmer. Dieses Gefühl wurde in meinem Falle durch alte Schultüten sowie uralte Poster von der VfB-Meistermannschaft 2007 verstärkt: Sie hängen bis heute in meinem Kinderzimmer.

Dennoch fragte ich mich, woher diese Heimatverbundenheit kommen kann. Meine kurze Antwort: Hart aber herzlich. Während ich erlebe, dass in wunderbaren Städten wie zwischen Nordbaden und Mittelhessen großartige Menschen Sensibilität, Empathie sowie Gespräche unter vier Augen (die ab und an in gefühlten tiefenpsychologische Analysen ausarten) großgeschrieben werden, ist das anderswo komplett verschieden. So ist es in meiner Heimat etwas anderes, was ich dort an meinen Allerliebsten schätze: Selbstironie, homogene Massen von bis zu 20 Leuten, die in Sport- und Freizeitanliegen schnell auf einen Nenner kommen, sowie die Bereitschaft auch mal einen Spruch zu drücken, nur um sich in der nächsten Sekunde wieder zu vergeben und weiter zu necken. Und sich, wenn es Kaltgetränke gab, tief in den Armen zu liegen. Wo mit 23 Jahren auch mal eine Klobürste unter der Bettdecke liegt. Wo sich mit gepflückten Brennnesseln Schmerzen gegen die Wade zugefügt werden, wo blaue Flecken ein Zeichen von gelebter Männerfreundschaft sind und wo ein Weizenbier mehr wert ist als ein verklemmter Caipirinha. Ich glaube, dass ich stundenlang so weiter schreiben könnte. Da geht mir persönlich einfach das Herz auf, wie die Sonne am 21. Juni. Zum Beispiel, dass H.P. Baxxter bei Roadtrips mehr Wert für die Gemeinschaft gibt, als Salsa und Reggeaton-Parties. Oder dass zarte Berührungen mit einem herzhaften Klaps in den Nacken ersetzt werden und somit die sechste Sprache der Liebe darstellt. Nun aber Schluss: So langsam werden diese Beispiele zu persönlich sowie männerspezifisch und dieser Text noch subjektiver als er sowieso schon ist. 

Doch nochmal: Das sind alles Dinge, die mit Sicherheit auch da passieren, wo wir eben nicht groß geworden sind, wo wir studieren, mittlerweile leben, hingezogen sind. Menschen sind überall unterschiedlich und auch nirgends genau gleich. Wenn du die Chance in deinem Leben bekommen hast, Freundschaften aus unterschiedlichsten Breiten- und Längenkreisen zu kennen, sieh es nicht als Last oder Druck an, selbst, wenn du mal wieder in der Bahn oder im Auto sitzt und dir denkst, was das für ein Stress ist. Sei dankbar und dir bewusst, dass du sowohl für daheim als auch für daheim in der Heimat berufen bist. Eine bleibende Stadt haben wir auf Erden sowieso nicht (Hebräer 13,14). Und eines kann mir, und dann auch hoffentlich dir, keiner nehmen: Heimatgefühl pur spürbar und dankbar zu genießen. Hart, aber herzlich. Selbst für jemanden, der gerne tiefgehende, persönliche Gespräche unter vier Augen genießt.

Bei all den Pauschalisierungen könnte ich mir vorstellen, dass viele Menschen, egal ob von „daheim“ oder „daheim, daheim“, sich durch diese Zeilen aufregen könnten und mir meine Wortwahl irgendwann um die Ohren fliegt. Andere wiederum werden sich erfreuen, dass sie nicht die Einzigen sind, die zwischen den „Welten“ verschieden tickende Umfelder und Freundeskreise hegen und pflegen dürfen. Zum Abschluss noch eine Floskel, die wohl nirgends besser passen würde, als hier: Das eine schließt das andere niemals aus.

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