
Sofia. 23. Irgendwo zwischen Praktikum und Bachelor-Abschluss. Mag Fair-Fashion, ausgelassenes Gelächter, Sommer und den Ozean. Liebt deep talks, lange Spaziergänge in der Natur und umgeben zu sein von den Menschen, die sie gern hat. Ist in der Welt Zuhause und immer auf der Suche nach Gott.
Vor einigen Wochen war ich über das Wochenende bei meinen Eltern. Es war Mitte Oktober und ich schrieb gerade meine Bachelorarbeit. An einem Morgen saß ich an unserem Esstisch, neben mir Blatt und Stift und vor mir der Laptop, und versuchte mir einen Schreibplan für die nächsten Tage zusammenzustellen. Als mir langsam bewusst wurde, wie wenig Zeit mir noch blieb und wie viele Seiten ich noch zu schreiben hatte bis zur Abgabe, wurde ich unruhig. Meine Mama, die entspannt neben mir saß, ihren Kaffee trank und Zeitung las, schien das zu spüren und fragte: „Sofia, was ist denn los mit dir?“. Ich sah sie an und sagte: „Ich merke einfach gerade, wie mir die Zeit davonläuft. Ich muss bis Montag ein ganzes Stück weiterkommen. Morgen wollte ich das erste Buch endlich fertig analysiert haben. Am Sonntag sollte dann das Intro von Abschnitt 4.1. stehen. Und das haut alles einfach nicht hin.“ Sie sah mich eindringlich an und sagte dann: „Merkst du eigentlich was? Du bist schon wieder mental fünf Schritte voraus. Du denkst schon wieder über morgen nach und hast heute noch nicht mal eine Chance gegeben, gut zu werden. Nutze doch erstmal heute aus und schau dann weiter.“ Im Nachhinein haben mich ihre Worte sehr zum Nachdenken gebracht und mich seitdem nicht mehr losgelassen.
Wer mich kennt, der weiß, dass ich gerne plane. Ich mag es eine Übersicht über das Jahr, die Wochen, die Tage zu haben. Ich lerne auch eigentlich nie ohne Lernplan. Die Zeit, die ich hier auf dieser Erde habe, will ich ja auch sinnvoll nutzen. Das Planen hilft mir dabei, den Überblick zu bewahren und irgendwie bedeutet es für mich oft auch Sicherheit und Halt – weil ich denke, dass ich absehen kann, was kommt. Gottes Pläne für mein Leben kann ich nicht einsehen, hänge oft in der Schwebe und plane dann. Es ist also auch irgendwie meine Art mit einer ungewissen Zukunft umzugehen und die Angst vor Morgen zur Seite zu schieben. Doch was dabei oft passiert und was mir meine Mama mit ihren Worten ans Herz legen wollte: Ich verliere dabei ganz schnell den Sinn für den Moment. Ich vergesse, dass es auch noch ein Hier und Jetzt gibt, das es wert ist, gelebt zu werden – weil wer weiß, was Morgen kommt. Menschen ändern sich und Pläne sowieso. Für die restliche Zeit meiner Bachelorarbeit habe ich mir also den Rat meiner Mama zu Herzen genommen und versucht kleinere Schritte zu gehen – Tag für Tag. Ich habe versucht jeden einzelnen Tag bewusster auszunutzen, auch wenn ich meinen Lernplan noch im Hinterkopf behalten habe.
Ich glaube, dass dieses Bewusstsein das Stichwort ist. Ich glaube in einer schnelllebigen Welt wie heute, in der jedes Event das nächste jagt, ist es umso wichtiger, im Moment mal stehen zu bleiben. Sich Zeit zu nehmen für die Dinge, die genau an diesem Tag anstehen. Nicht nur physisch, sondern auch mental bei dem Menschen zu sein, der vor einem sitzt, die To-Do Liste von heute und nicht die von morgen abzuarbeiten oder die kleine Ruhepause mit dem guten Buch und dem heißen Kaffee wirklich zu genießen. In letzter Zeit sind daher die Worte von König Salomo zu einem meiner Lieblingsbibeltexte geworden. Dort heißt es: „Alles hat seine Zeit, alles auf dieser Welt hat seine ihm gesetzte Frist: (…) Weinen hat seine Zeit wie auch das Lachen. Klagen hat seine Zeit wie auch das Tanzen. Umarmen hat seine Zeit wie auch das Loslassen. Suchen hat seine Zeit auch das Verlieren. Behalten hat seine Zeit wie auch das Wegwerfen (…)“. Ich mag die Worte von Salomo, weil er genau das erkennt – für jedes Ereignis, für jede Tätigkeit, für jede Emotion gibt es eine Zeit – einen Anfang und ein Ende. Salomo spricht es nicht explizit an, aber auch hier schwingt für mich das „im Hier und Jetzt sein“ mit.
Je länger ich über seine Worte und das im Moment sein nachdenke, desto mehr wird mir auch bewusst, wie wenig ich oft wirklich im Moment lebe. Dass diese stressige Bachelorarbeitsphase nur ein kleiner Stein im Mosaik meines Lebens ist. Dass die Zeiten, in denen ich mich eher von Station zu Station gehangelt habe, als die Etappensiege zu feiern, mir gestern schon Sorgen über Morgen gemacht habe und lieber geplant als Gott Dinge abgegeben habe, oft überwiegen. Und auch wenn das so klischeehaft klingt, in letzter Zeit wurde mir so oft und schmerzlich vor Augen geführt, wie kurz und vergänglich das Leben hier auf der Erde sein kann – so viel kürzer als man denkt. Deswegen lautete einer meiner wenigen Neujahrsvorsätze für dieses Jahr, mehr im Moment zu sein und mich auf die 16 bis 17 Stunden zu konzentrieren, die jeden Tag vor mir liegen. In der Hektik des Alltags bewusst stehen zu bleiben, um mich um meine eigene Achse zu drehen und zu beobachten, wie viel Schönheit in den Details dieser Welt steckt. Und den Menschen, die ich liebe, hier und jetzt zu sagen, wie sehr ich ihre Gegenwart schätze.
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