Ein ganz normaler Montagmorgen. Der Wecker klingelt. Mein Handy kennt keine Gnade. Wecker aus. Die Benachrichtigunsleiste: Voll.
Tagesschau, Zeit, Google News, WhatsApp, Facebook, YouTube. Alle halten mich „up to date“. Mit den Ereignissen der letzen Nacht. Demonstration in Hong Kong, Wahlergebnisse in Schleswig-Holstein, Ein Politiker beschimpft einen anderen. Bla. Bla. Bla. Bla. Ich nehme es zur Kenntnis. Wisch. Wisch. Wisch. Alles durch.
Ich trotte in die Küche, schmeiße mir das nächstbeste Müsli in die Schale. Am Frühstückstisch starte ich das Radio. Nachrichten. Ich nehme sie zur Kenntnis.
Jetzt aber los zur Arbeit. Ab in den Bus. Schnell noch die kostenlose Zeitung am Straßenrand mitnehmen. “Mann ersticht Frau und Kinder”, was gibt es sonst so Neues? Ich blättere mich durch die Schlagzeilen. Ich nehme sie zur Kenntnis.
Den Tag über ploppen immer wieder Benachrichtigungen auf. Selbstmordattentäter in Afghanistan. Warte mal. Oder war das Irak? Pakistan? Ach, ist doch alles dasselbe. Passiert doch gefühlt eh täglich in diesen Ländern.
Am Abend geht’s zurück nach Hause. Unterwegs gehe ich den Facebook-Feed durch. Terroranschlag in London. Gar nicht so weit weg. Aber gefühlt auf einem anderen Planeten. Ich nehme es zur Kenntnis.
Daheim angekommen. 20:00. Tagesschau-Zeit. Eine Viertelstunde Nachrichten. Ich nehme sie zur Kenntnis.
Vielleicht kommt dem einen oder anderen ein ähnliches Szenario bekannt vor. Wir leben in einer Zeit von „Information Overload“. Reizüberflutung. Immer und überall werden wir mit Informationen zugemüllt. Abgestumpft. Das Erschreckende ist, dass mich die Nachrichten nicht mehr betroffen machen . Ich werde rund um die Uhr mit den Problemen dieser Welt bombardiert. Sie begleiten mich in den hintersten Winkel meines Alltags. Trotzdem ist das alles ganz weit weg. Irreal. Die Tagesschau wird für mich zu einer schlechten Fernsehserie. Die Hauptdarsteller: Politiker, die sie sich wie Kinder zanken. Psychopaten, die nichts Besseres zu tun haben, als unschuldige Menschen zu tyrannisieren. Zu Unterdrücken. Zu Töten. Naturgewalten, die wir Menschen nicht kontrollieren können. Dessen Phänomenen wir schutzlos ausgeliefert sind.
Eigentlich sollte ich doch vor Wut platzen. Trauern. Wenigstens ein bisschen Mitgefühl haben. Nichts dergleichen. Während zur selben Zeit in einem Land Demonstranten niedergeschossen werden, lache ich über den Comedian, der gerade viral geht. Während im Mittelmeer Flüchtlinge ertrinken, sitze ich glücklich im Kreise meiner Familie und stopfe mich mit Schwarzwälder Kirschtorte voll. Während ein Tropensturm das Zuhause tausender Familien zerstört, beschwere ich mich über meine durchnässten Turnschuhe. Irrational. Traurig.
Wir wissen zwar immer, was abgeht, ignorieren es aber gekonnt. Machen weiter wie immer. Da wo Liebe, Mitgefühl, Trauer sein sollten: Kälte. Digitale Kälte. Eine Kälte, die unsere komplette Gesellschaft durchzieht.
Wie komme ich da raus?
“Freut euch mit denen, die sich freuen;
weint mit denen, die weinen.”
Römer 12:15
Photo Credits: unsplash.com; Graphics: Philipp Jenny
Autor: Philipp Jenny