Heute will ich euch meine Geschichte erzählen und was ich mit diesem wichtigen Wort Heimat verbinde. Meine Geschichte ist deswegen außergewöhnlich, weil ich sieben Jahre als Kind von Missionaren in Kenia gelebt habe. Deswegen kann ich auch mit Sicherheit sagen, dass Heimat immer ein zentraler Begriff in meinem Leben war.
Aber ich fange mal von vorne an:
Ursprünglich kommen meine Eltern aus Niedersachsen. Dort leben auch meine Großeltern. Ich wurde 1999 dort geboren, allerdings habe ich selbst nie dort gelebt. Als ich ein paar Monate alt war, sind wir nach Hessen gezogen, wo meine Eltern mit mir in einer Wohngemeinschaft mit Jugendlichen, die auf Bewährung aus dem Gefängnis kamen, gewohnt haben. Als nach und nach meine Geschwister auf die Welt kamen, sind wir natürlich in eine eigene Wohnung gezogen. Dort blieben wir aber nicht allzu lange, denn als ich sieben Jahre alt war, entschieden sich meine Eltern dazu, nach Afrika auszuwandern. Als Missionarskind bin ich auf einer kleinen Missionsstation im Norden von Kenia aufgewachsen. Mit meinen drei Geschwistern habe ich keine örtliche Schule besucht, sondern Home-Schooling gemacht. Zur Erklärung: Home-Schooling meint, dass ich Lernmaterial von Deutschland zugeschickt bekommen habe und dies alleine durch gearbeitet habe.
Insgesamt lebte ich sieben Jahre in Kenia, zwischendurch flogen wir auch mal für einen Heimaturlaub zurück nach Deutschland. Ein Jahr ging ich sogar auf eine deutsche Schule. Nach diesem Jahr Heimaturlaub kehrten wir nach Kenia zurück. Nur ein Jahr später entschieden meine Familie und ich aber, dass es für mich Zeit wäre, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Der Grund dafür lag in schulischen Umständen und darin, dass ich lange ohne Gleichaltrige aufwuchs. Gerade als Teenie war es nicht immer einfach, nur meine Geschwister als Freunde zu haben. Meine Familie blieb also in Kenia, während ich nach Würzburg zog und dort in einer Gastfamilie wohnte. Tatsächlich kannte ich diese Familie kaum und Bayern war auch eine ganz schöne Umstellung!
Nachdem ich fünf Jahre in dieser Familie lebte und 2018 mein Abi machte, entschied sich auch meine Familie dazu, wieder nach Deutschland zurückzukommen. Wegen der neuen Arbeitsstelle zogen sie in den Westerwald nach Rheinland-Pfalz. Ich fing im gleichen Jahr meine Ausbildung in Gießen an und folgte ihnen dorthin. Dort lebe ich jetzt mittlerweile seit ca. zwei Jahren und habe dort auch eine eigene Wohnung.
So, ich hoffe, ihr seid jetzt nicht zu durcheinander von den ganzen Daten und Orten. Manchmal muss ich tatsächlich selbst alles der Reihe nach durchgehen, um nicht durcheinander zu kommen.
Denn ich habe als Kind sowohl in einer WG mit kriminellen Jugendlichen gewohnt, als auch in der Weite Afrikas gelebt. Ich bin wahrscheinlich mit mehr Tieren als Menschen groß geworden. Ich habe HIV-positive Kinder meine Freunde genannt und einige dieser Kinder auch sterben gesehen. Ich habe die Geborgenheit meiner leiblichen Familie erfahren, als auch die Fremdheit einer anderen Familie. Und ich kann jedes meiner acht Gastgeschwister als Freunde und Familie ansehen. Ich bin nicht nur auf eine normale deutsche Schule gegangen, sondern war auch für sechs Jahre die Einzige in meiner Klasse, während ich mir den Unterrichtsstoff selbst beibrachte. Einiges mehr könnte ich noch von mir erzählen. Aber darüber vielleicht wann anders;)
Wenn ich zurückblicke, empfinde ich dieses Leben als ein Segen und finde es schon sehr cool, was ich alles erleben durfte. Wer kann schon so einen Lebenslauf vorweisen? Andererseits hat dieses ständige Umherziehen und die ständige Veränderung auch viel mit mir gemacht. Vielleicht bin ich deshalb heute rastlos, immer auf Achse und ständig unterwegs?
Vor allem jedoch hat mich immer eine besondere Frage verfolgt:
„Welcher dieser vielen Orte ist jetzt eigentlich meine Heimat?“
Wenn man an insgesamt fünf verschiedenen Orten in drei verschiedenen Bundesländern für eine längere Zeit gelebt und dabei siebenmal umgezogen ist, stellt man sich diese Frage nicht nur einmal. Eigentlich stelle ich sie mir ständig! Denn wenn ich gefragt werde wo ich herkomme, kann ich diese Frage nie wirklich beantworten!
Kann man an mehreren Orten gleichzeitig zuhause sein? Kann ich den Ort, in dem ich gerade wohne, wirklich als Heimat bezeichnen? Oder ist es nicht wieder nur ein kleiner Zwischenstopp in meinem Leben? Was machen eigentlich „Zuhause“ und „Heimat“ aus? Sind es Personen, Familie, Erlebnisse oder ist es einfach nur der Ort, wo man geboren ist?
Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich auch auf keine der anderen Fragen eine Antwort habe. Ich fühle mich im Westerwald und in meiner aktuellen Gemeinde wohl, aber wie lange noch? Es kann gut sein, dass ich in den nächsten zwei Jahren wieder umziehen werde, auch wenn ich noch keine Ahnung habe wohin.
Was ich jedoch immer mehr merke ist, dass ich mich überhaupt nicht festlegen will! Ich bin gerne dort, wo ich gerade bin und wenn die Zeit gekommen ist, geht es vielleicht woanders weiter.
Ich möchte Heimat nicht an einem Ort oder Menschen festmachen. Und das kann ich auch nicht. Denn letztendlich ist meine wahre und wichtigste Heimat immer bei Gott im Himmel.
Ich glaube, dass ich irgendwann bei ihm wohnen werde. Dann wird meine Sehnsucht nach dem echten Zuhause und meiner richtigen Heimat überfließend gestillt sein werden. Bis dahin lebe ich hier. Und ich bin gespannt und tatsächlich voller Vorfreude, wohin es mich noch führen wird.
Zum Abschluss noch ein passendes Lied für euch, weil es perfekt ausdrückt, was ich gerade gesagt habe. Hört es euch auch gerne mal im Internet an!
“Unsere Heimat” von Corina Schweizer
>> Wir sind nicht Bürger dieser Erde, unsre Heimat ist nicht hier. Wie Nomaden ziehen wir weiter, unsre Heimat ist bei Dir. Wir sind Bürger deines Reiches, dich den König lieben wir. Schauen aufwärts voller Sehnsucht. Unsre Heimat ist bei Dir. Wir sind Kinder unsres Gottes, unser Vater wartet dort. Bis Du kommst, um zu holen an den wahren Heimatort.
Bei Dir im Himmel, bei Dir, o Herr! Und ist der Weg auch manchmal schwer, gibst Du uns Kraft weiter zu gehen, bis wir Dich dort im Himmel sehen. Unsre Heimat liegt im Himmel, unsre Heimat ist bei Dir! <<
Eure Larissa
Danke an Unsplash.com und Erwan Hesry für das Titelbild 🙂