Was fühlst du?

Milli, 27, verheiratet und Grafikdesignerin. Hat im Rahmen ihrer Masterarbeit ein Spiel entwickelt, das dich auf die Vielfältigkeit deiner Emotionen aufmerksam macht. Außerdem schreibt sie auf ihrem Blog www.hellomilli.com über ihren Alltag und die Hochsensibilität.

Wir alle tragen sie in uns und brauchen sie zum Leben. Jeden Tag begegnen wir ihnen und wir fühlen sie ständig: Emotionen. Wütend, traurig, fröhlich, überglücklich. Wir fühlen uns immer “irgendwie”. Ich als hochsensible Person bin randvoll mit Emotionen und empfinde sie oft derartig intensiv, dass sie mich sogar übermannen. Für andere kann ich mich so sehr mitfreuen, dass ich ihre Freude übertrumpfe. Über negative Geschehnisse der Welt verspüre ich so viel Trauer, dass mich eine depressive Stimmung einholt. Emotionen sind enorm vielfältig, bei jedem unterschiedlich und oft nicht leicht zu greifen. Doch egal welche Rolle sie in deinem Leben spielen: Ich glaube, es ist wichtig, von ihnen zu wissen und durch Worte von ihnen Gebrauch zu machen. 

“Nicht zum Ausdruck gebrachte Gefühle werden niemals sterben.”, sagte einst der Psychologe Sigmund Freud. Das hat mich sehr zum Nachdenken angeregt. Es sagt aus, dass ich früher oder später von einer Empfindung, die ich vielleicht nicht wahrhaben wollte oder der ich keinen Raum zum Existieren gab, eingeholt werde. Sei es eine Beziehung, die dann auf die Probe gestellt wird oder eine Konfrontation mit einem Erlebnis, das ich noch verarbeiten muss. Leider verfällt unsere Generation immer mehr dem Trend, sich nicht mitzuteilen oder dies nur oberflächlich zu tun. Bilder statt Worte, wenig tiefgründige Dialoge und ausschließlich zur Unterhaltung dienende Medien sind vorne mit dabei. Bei einem solch blinden und beinahe ohnmächtigen Konsum geht die Fähigkeit, das Empfinden der Seele zu beschreiben, schlichtweg verloren. 

Aber warum ist es überhaupt so wichtig, sich mitteilen zu können? 

Eine befreundete Psychologin erzählte mir von einer Aufgabe, die sie Klienten meist zu Beginn einer Therapie gibt. Sie bittet die Person dabei, binnen fünf Minuten alle Emotionen aufzuschreiben, die ihr in dieser Zeitspanne einfallen. Im Durchschnitt, erklärte sie mir, finden dabei 15 Adjektive ihren Weg auf’s Papier. Das klingt erstmal viel, ist aber tatsächlich sehr wenig. Einer der häufigsten Gründe einer Therapie beruht auf internem oder externem Stress. Menschen verlieren die Fähigkeit, sich Grenzen zu setzen und überarbeiten sich und ihr Gemüt. Darunter leidet die Beziehung zu sich selbst, zum Partner, den Kindern, den Mitmenschen. Das Resultat  sind zum Beispiel schwierige Familienverhältnisse oder ein Burnout. All das nur, weil uns die Fähigkeit unsere Gefühle zu beschreiben, aufgrund eines diesbezüglich mangelnden Wortschatzes, abhanden geht. 

Welche Emotionen gibt es denn überhaupt? 

In der Psychologie spricht man von sogenannten “Basisemotionen”, die wie Primärfarben über allen weiteren Emotionen stehen. Dazu zählen Freude, Ärger, Überraschung, Furcht, Traurigkeit, Angst und Ekel. Mit diesen Emotionen kommt man schon ganz schön weit, wobei meine persönliche innere Emotionswelt sehr öde sein würde, hätte ich nur diese Umschreibungen zur Auswahl. Wenn ich “Freude” empfinde, kann ich oft von einem “erfüllten” Gefühl sprechen. Erlebe ich “Ärger” bin ich manchmal echt “wütend” oder auch “enttäuscht”. Ein “überraschendes” Gefühl nehme ich möglicherweise als “erstaunt” wahr. Durch das Wissen der Vielzahl an Emotionen gebe ich mir selbst und meinem Gegenüber die Möglichkeit, deutlicher zu kommunizieren und Missverständnissen aus dem Weg zu gehen. Außerdem fällt es mir viel leichter, subjektive Grenzen zu ziehen, die ich mit den richtigen Worten gut erklären kann. 

Verglichen mit einer normalsensiblen Person, nehme ich als hochsensible Person deutlich mehr Reize wahr. Zum Beispiel erfasse ich in einer Bar nicht nur das direkte Gespräch, sondern auch das vom Nebentisch, während die Sirene eines vorbeifahrenden Krankenwagens dröhnt und hinter der Theke ein Glas zerbricht. Eine solche, tägliche Reizüberflutung führt schnell zu einer leeren Batterie und fordert ein Rückzugsbedürfnis. Für das Gegenüber oft nicht leicht einzuordnen, doch durch die Kenntnisse der Reichhaltigkeit an Emotionen, besser zu verstehen. “Du, ich muss mich mal zurückziehen, ich fühle mich von den Eindrücken des heutigen Abends sehr überfordert. Ich brauche etwas Zeit, um alles zu sortieren, bis ich wieder entspannt sein kann.” Einzig und allein durch die Hilfe detaillierter Worte gebe ich dir einen Einblick in meine emotionale Welt, den du sonst nie hättest. 

Wie du dich darauf einlassen kannst 

In Psalm 139,14 lesen wir davon, dass wir “wunderbar” und sogar “erstaunlich” gemacht sind. Gott kennt deine innere, emotionale Welt und auch wenn sie an einem Montag weniger vielfältig sein mag als an einem Samstag, existiert sie. Ich glaube, es zählt zu unserer Aufgabe, unseren Körper auch in Bezug auf die Gefühlswelt zu pflegen. Versuch doch mal in den nächsten Tagen bewusst auf deine emotionalen Reaktionen zu achten. Was fühlst du, wenn du Musik hörst? Wie fühlst du dich nach einem Gespräch mit deinem besten Freund? Was spürst du, nachdem du die aktuellen Nachrichten gecheckt hast? Schreibe dir eine Liste mit den Basisemotionen und lass viel Platz dahinter, denn mit Achtsamkeit wirst du immer mehr Sekundärfarben finden, die deine innere Welt bunt machen. 


Danke an Rosalind Chang für das Beitragsfoto von Unsplash.

Mein dankbares Herz

Lea-Marie, 24 Jahre alt, begeisterte Tagebuchschreiberin, starte meinen Tag am liebsten mit einer Tasse Kaffee und Jesus, koche & backe leidenschaftlich gerne. Staune immer wieder gerne über Gottes wunderbare Schöpfung und freue mich über jeden Baum, den ich umarmen kann 😊

Ich sitze mit einer Tasse Kaffee in der Sonne und denke nach. Ich nehme einen Schluck von dem heißen Kaffee, atme tief ein und aus, spüre die wärmende Morgensonne in meinem Gesicht. Noch ein Schluck. Noch ein Atemzug. Noch ein Sonnenstrahl. In meinem Herzen tiefe Dankbarkeit.

Gedanklich spule ich 20 Jahre zurück und finde mich als kleines Mädchen in einer Bäckerei wieder. Meine Augen werden größer als mir die Verkäuferin eine Packung Gummibärchen entgegenstreckt. Sichtlich erfreut nehme ich das Geschenk an und reiße mich gerade noch zusammen, die Packung nicht sofort zu öffnen und aufzuessen. Da ertönt auch schon die Stimme meiner Mutter „Und wie sagst du jetzt?“ Schüchtern flüstere ich ein „Danke“.

Vielleicht kommt dir eine solche Situation bekannt vor. Ich erinnere mich an viele solcher Situationen. Und nicht nur ich musste als Kind immer wieder daran erinnert werden „Danke“ zu sagen, auch meine jüngeren Geschwister (was definitiv beruhigend zu beobachten war, dass nicht nur ich das „Danke“ andauernd vergessen habe). Und auch heute noch beobachte ich Eltern, die ihre Kinder immer wieder daran erinnern „Danke“ zu sagen.

Ich erinnere mich auch noch daran, dass ich als Kind oft genervt davon war. Heute weiß ich, dass dieses Wort großes bewirken kann. Mir ist es wichtig, dass ich mich für Dinge bedanke und dass Menschen sich bei mir bedanken. Allerdings habe ich auch oft den Eindruck, dass das Wort nur daher gesagt wird. Wir sagen es oft aus Höflichkeit, als Ritual, weil es sich eben so gehört – so habe ich es als Kind auch empfunden – auch wenn ich mich nicht über etwas gefreut habe, so wurde von mir erwartet, dass ich „Danke“ sage. Da war zum Beispiel ein Geburtstagsgeschenk, welches mir nicht gefiel, aber natürlich bedankte ich mich aus Höflichkeit. Schließlich habe ich es geschenkt bekommen.

Danke – eine Floskel wie Hallo und Tschüss!?

Auf meinem weiteren Lebensweg und vor allem in den letzten Jahren habe ich einen anderen Blick auf das Danken bekommen und mir wird es von Jahr zu Jahr wichtiger. Und ja, das Wort „Danke“ nehme ich im Alltag trotzdem noch häufig als Floskel wahr und nicht immer kommt es von Herzen. Umso schöner ist es eine Dankbarkeit spüren zu können, die aus tiefstem Herzen kommt und so richtig authentisch ist. Dann braucht es das Wort „Danke“ oft auch nicht mehr. Dann reicht ein Blick, ein Lächeln oder dass ich dem anderen Menschen, dem ich „Danke“ sagen möchte etwas Gutes tue. Oh, wie ich diese Begegnungen mit Menschen liebe, die aus tiefstem Herzen dankbar sind!

Ich blicke in den wolkenlosen Himmel, nehme noch einen Schluck von dem Kaffee und lächle der Sonne entgegen. In meinem Herzen wird es warm.

In den letzten Wochen hatte ich das Glück so eine tiefe Dankbarkeit bei mir selbst zu spüren und zu erleben.

Es ist eine verrückte Zeit, in der wir leben. Eine Zeit, in der wir nicht so richtig wissen, wie das Leben weiter geht (wobei eigentlich weiß ich das nie so richtig, aber nun ja, gerade ist es schon etwas anders). Ich weiß noch nicht was im Sommer ansteht, wie mein nächstes Semester aussieht – ich lebe gerade einfach Tag für Tag. Eigentlich wie sonst auch – aber irgendwie auch nicht. Es ist anders! Und ja, mir fehlt der „ganz normale“ Alltag. Trotzdem genieße ich diese besondere Zeit, welche ich als Entschleunigung erlebe. Diese Entschleunigung hat mich so Vieles gelehrt. Ich habe gelernt, lerne weiterhin und werde stärker, aber vor allem hat mich die letzte Zeit, um eines bereichert: Ein dankbares Herz.

Die letzten Monate haben mir gezeigt, wie schön es ist als wachsame Beobachterin durch die Welt zu gehen und meine Umgebung bewusst wahrzunehmen.

Die letzten Monate haben mir gezeigt, wie schön es ist für die kleinen Dinge im Leben dankbar zu sein und wie viel Freude ich an den kleinen Dingen haben kann.

Und letztendlich wurde mir in den letzten Monaten wieder ganz deutlich bewusst, dass das ganze Leben ein Geschenk ist. Ja! Ein Geschenk! Was heißt das? Ein Geschenk ist etwas, für das ich nichts getan habe – jemand schenkt es mir aus Liebe. Und erst wenn ich es auspacke und erlebe, kenne ich den Inhalt. Mein Leben habe ich angefangen und teilweise schon „ausgepackt“, aber im Prozess des Erlebens stecke ich noch immer. Ich kenne den Inhalt dieses Geschenks noch nicht ganz. Ich denke es ist wie ein bunte Knalltüte – voller Überraschungen! Und bei diesem Gedanken fällt mir wieder ein, was mir als Kind eingetrichtert wurde – für ein Geschenk sollte ich mich bedanken! Daher sag ich meinen Schöpfer heute einfach mal „Danke“. Danke für mein Leben!

Und während ich so in der Sonne sitze und meinen Kaffee schlürfe stelle ich fest, was mir diese Zeit bringt: ein dankbares Herz!

Erkenntnisse und Momente, wie diese sind wunderbar! Ich hänge meinen Gedanken nach und mir fällt auf, wie schön es ist, dankbar zu sein! Danke sagen zu können, zu einem wunderbaren Schöpfer und Vater, der mir mein ganzes Leben schenkt. Und noch mehr möchte ich ihm danken für mein dankbares Herz, durch dessen Perspektive mir das Leben viel leichter, schöner und bunter erscheint!