In den letzten Wochen haben Lukas über den November-Mood und unsere Gastautorin Jana über ihre Winterdepression geschrieben. Beide Texte haben sich mit schwierigen Themen beschäftigt und waren somit sehr aufwühlend – dafür bin ich sehr dankbar. Gleichzeitig kamen in beiden Texten die Monate Herbst und Winter ziemlich schlecht weg, wodurch ich mich – aufgrund meines ausgeprägten Gerechtigkeitssinnes für diskriminierte Minderheiten und (als Kind des Januars) meiner innigen Beziehung zu den Wintermonaten – dazu herausgefordert sah, mich mit ebenjenen Jahreszeiten zu solidarisieren und ihre Existenz in einem nahezu unumstößlichen Manifest zu rechtfertigen. Nach einer nicht allzu umfänglichen und zeitintensiven Recherche fiel mir auf, dass Jana und Lukas mit ihrer fehlenden Sympathie für Herbst und Winter keineswegs alleine sind. In einem Auszug aus der nachfolgenden Studie wurden zwischen dem 16. und 25. Oktober 2016 insgesamt 1024 Deutsche repräsentativ zu ihren Jahreszeitpräferenzen befragt. Daraus ergab sich folgendes Ergebnis:

Der Sommer – auch unter dem Spitznamen „Mainstream“ bekannt, da seine Anhänger wahrscheinlich auch keinen eigenen Musikgeschmack besitzen, sondern einfach hören, was alle hören und deshalb auch mögen, was alle mögen – liegt unangefochten auf Platz eins mit 50 Prozent Zustimmung, mehr oder weniger dicht gefolgt vom Frühling – und das bestimmt auch nur wegen der durch ihn ausgelösten und seine Präsenz kennzeichnenden Gefühle.
Im Kopf-an-Kopf-Rennen um den Looser unter den Jahreszeiten nehmen sich Winter und Herbst nicht viel, wobei Letzterer noch ein paar Prozentpunkte mehr einhamstert – wahrscheinlich wegen seiner schönen bunten Blätter und so.
Dieser quantitativen Studie möchte ich nun eine qualitative Einzelfallstudie – mit nicht minder ernstzunehmender Aussagekraft – entgegensetzen. Sie mag möglicherweise von meinen persönlichen Vorlieben beeinflusst sein, doch davon sollte sich der Leser nicht fehlleiten lassen. Es werden keine Sätze fallen, wie: „Regen ist nämlich gut für die Pflanzen“ oder „wir brauchen halt alle vier Jahreszeiten“, es wird viel subjektiver zugehen.
Letztes Vorgeplänkel: Mit meinem heutigen Text möchte ich die Beiträge von Jana und Lukas keinesfalls schmälern – geschweige denn widerlegen, sondern mich vielmehr dafür stark machen, dass Herbst und Winter auch trotz niedriger Temperaturen, wenigen Sonnenstunden und viel Nässe Vorzüge mit sich bringen – je nach Perspektive.
1. Probier’s mal mit Gemütlichkeit
„Bei diesem Wetter jagt man keinen Hund vor die Tür“, lautet eine bekannte Redensart und spielt damit auf besonders Niederschlags-intensive Tage an. Während der Sinn des Sprichworts unmissverständlich sein mag, so scheint seine wortwörtliche Bedeutung in sich unschlüssig. Die allseits beliebten Vierbeiner – auch bekannt als „Mainstream“ unter den Haustieren oder bester Freund des Menschen – sind nicht unbedingt dafür bekannt, wasserscheu zu sein – auch wenn es Ausnahmen geben mag. Und Geschäfte müssen eben erledigt werden – auch an regnerischen Tagen.
Ich persönlich mag Regentage – jetzt nicht unbedingt zwanzig hintereinander. Aber ab und zu finde ich das ganz erfrischend. Da ich es bei solchem Wetter stets mit dem Hundesprichwort halte, lädt mich (Dauer-)Regen förmlich dazu ein, einen gemütlichen Tag drinnen zu verbringen. Muss ich arbeiten oder lernen, fällt mir das umso leichter, da ich draußen ja nichts Wichtiges verpasse. Sind eh alle irgendwo drin. Habe ich wenig Pflichten, so kann ich die Zeit umso mehr für Dinge nutzen, die ich schon länger wieder mal machen wollte: Zeitung oder ein gutes Buch lesen; Schreiben; Musik, Podcasts oder Hörbücher hören – langweilig wird mir so gut wie nie. Umso schwieriger ist es – seit es Netflix, YouTube & Co. gibt – sich mit haptischeren Dingen zu beschäftigen. Es erfordert etwas mehr Anstrengung und Selbstüberwindung, aber es lohnt sich. Ein gutes Buch, ein warmer Tee oder Kaffee – so klingt die optimale Entschleunigung.
Kleine Challenge für die ganz Mutigen: Wenn du es schaffst, dich durch den Regen in das nächste oder sogar dein Lieblingscafé zu kämpfen, kann das umso gemütlicher werden. Das ist mein persönlicher Geheimtipp für Entspannung und pure Gemütlichkeit.
2. Kalt kann geil, na na na na na
Was ist ermunternder als kalte Luft am Morgen? Nichts macht mich umgehend wacher, als Durchlüften direkt nach dem Aufstehen. Nichtmal der „Mainstream“-Lieblingswachmacher Kaffee. Allein schon deswegen ziehe ich den Winter jeglicher schwüler Sommerluft vor. Während diese in der heißen Jahreszeiten ermüdet, drückt und Energie raubt, bewirkt Kälte das Gegenteil – und das ganz umsonst. Denn man will ja möglichst schnell wieder aus ihr raus. Das ist mein ultimativer Tipp für alle Morgenmuffel unter uns. Wenn du trotz kalter Luft, die dein Zimmer durchströmt, wohlig weiterschlafen kannst, dann bist du wohl jemand von den ganz Harten. Alle anderen werden umgehend wach!
Ich liebe es außerdem, wenn ich meinen eigenen Atem beobachten kann. Oder mit dem Fahrrad durch die Kälte schneide – warm eingepackt natürlich. Ich hoffe, dass du diese angenehme Art der Kälte auch kennst. Sonst ist sie ja in unserer Gesellschaft in Bezug auf Zwischenmenschliches meistens sehr negativ konnotiert und kommt verhältnismäßig schlecht weg. Man sollte sie natürlich in Maßen genießen, denn zu Erfrieren wünsche ich niemandem von uns. Aber mit der angemessenen Dosierung kann sie wahrlich bereichernd sein.
3. Mach mal einen Winterspaziergang
Letztes Wochenende durfte ich auf einem Wochenendtrip in Budapest den ersten Schnee meines Winters erleben. Es war einfach wunderbar am Morgen aufzuwachen und völlig unerwartet eine weiße Winterlandschaft vorzufinden – wie im Film. Auf einmal sieht die ganze Welt so anders aus, so weiß, rein und unschuldig. Fernab von Zivilisation sogar noch unberührt und friedlich, wenn man als Erstes durch den Schnee stapft. Natürlich ist viel Schneefall für den Verkehr in einer Stadt nicht gerade optimal, aber solche Nebenwirkungen muss man – meiner Meinung nach – halt in Kauf nehmen.
Ich möchte dich dazu motivieren, beim ersten Schnee des Jahres einen Winterspaziergang zu machen. Raus in die Natur. Die kalte Luft und Stille genießen. Einen Schneemann bauen, Schlitten fahren oder eine Schneeballschlacht – wie früher als Kind. Abwechslung und Ausgleich tun gut. Und wenn man ordentlich durchgefroren, dann rein ins nächste Café und auftauen! Oder zu Hause bei Plätzchen, Punsch etc.
So, ich hoffe, ich konnte dir mit diesem Text etwas Lust, auf Herbst – in dem wir uns ja befinden – und Winter – der unmittelbar vor uns liegt – machen. Entweder warst du zuvor schon ein Sympathisant mit den kalten Jahreszeiten oder halt nicht.
Wenn trotz dieses mitreißenden Manifestes immer noch nicht genügend positive Assoziationen bei dir geweckt wurden und du immer noch nicht überzeugt bist von der Schönheit der nicht ganz so warmen Jahreszeiten, dann hoffe ich, dass ich dir die kommenden Monate mit diesem Text wenigstens ein bisschen amüsanter machen konnte. Wenn du sie immer noch nicht magst, dann wünsche ich dir, dass du dich wenigstens einigermaßen arrangieren kannst.
by spaghettihirn
Was ist deine Lieblingsjahreszeit und warum?
Danka an eberhard grossgasteiger für das Beitragsfoto von Unsplash.