Mut zum Abbruch

Ich bin Judith, 23 Jahre alt und wohne im schönen Cuxhaven an der Nordsee, doch komme ursprünglich aus der Nähe von Hamburg. Obwohl ich eher ein ruhiger Mensch bin, liebe ich es mit meinen Freunden unterwegs zu sein und Abenteuer zu erleben.

Ich bin ein Mensch mit einem starken Willen. Das stellten meine Eltern schon fest, als ich noch ein Kind war.  Als „Jüngste“ der Familie, mit zwei älteren Geschwistern, … (Was hat dich deshalb zu einem Menschen mit starkem Willen gemacht? Was bedeutet es für dich, die jüngste zu sein? Warum ist das wichtig?)
Auch meine Freunde haben oft gesagt, dass sie es bewundern, wie ich meine Pläne in die Tat umsetze und das mache, was ich will.
Ich habe nicht nur einen starken Willen, sondern auch großen Träumen. Schon früh wusste ich, dass ich eines Tages gerne auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten möchte. Für meine berufliche Laufbahn hieß das, dass ich einen Job brauchte, mit dem ich auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten könne.

Nach verschiedensten Ideen, habe ich meine Leidenschaft zum Beruf gemacht und ein Duales Studium zur Fitnesstrainerin begonnen. Obwohl ich mir zunächst unsicher war, ob meine, erst spät gewonnene Leidenschaft zum Sport, dafür ausreichte, war das definitiv die richtige Entscheidung. Ich habe mich in dieser Zeit stark weiterentwickelt und bin mehr und mehr zu dem Menschen geworden, der ich sein wollte und habe viel gemacht und gesehen und letztendlich viele neue Lebenserfahrungen gesammelt.

Die Ausbildung, der Auszug und all das, was zum Erwachsenwerden dazugehört, fielen mir nicht immer leicht, aber ich hatte immer meinen Traum vor Augen und meine Familie als Unterstützung. Nach meinem lang ersehnten Bachelorabschluss stand dann für mich fest: Ab aufs Kreuzfahrtschiff! Mein Traum sollte endlich wahr werden!

Ich hatte für sechs Monate einen Job als Kurstrainerin auf der “MeinSchiff 3” bekommen. Im Oktober letzten Jahres ging es dann los. Ich hatte mich so sehr auf diese Erfahrung gefreut und war gut vorbereitet. Ich wusste, dass ich sieben Tage die Woche arbeiten würde und das für sechs Monate. Ich wusste, dass ich in einer maximal 5 m² großen Kabine ohne Fenster schlafen würde. Ich wusste, dass ich meine Familie und Freunde lange Zeit nicht sehen würde. Doch ich habe mich darauf gefreut, neue Menschen kennenzulernen und jeden Tag in einem anderen Hafen aufzuwachen. Ich habe mich auch darauf gefreut, den Job den ich liebe ausüben zu können und das mit wahnsinnigem Ausblick. Also ging es los. Der Abschied von meiner Familie fiel mir sehr schwer und auch von meinem vorherigen Job konnte ich mich nur schwer trennen. Aber es war mein Traum!

Ich kannte Kreuzfahrten zuvor nur aus dem Fernsehen. Ich weiß nicht, wer von euch schon mal eine Kreuzfahrt gemacht hat, aber es lohnt sich auf jeden Fall, sich so ein Schiff mal anzuschauen. Auf so einem großen Schiff gibt es wirklich alles. Meine Reise startete auf Mallorca, von dort ging es zehn Tage lang durch das Mittelmeer. Mein Team bestand aus fünf weiteren Fitnesstrainern, die mich sehr nett aufgenommen haben. Insgesamt arbeiteten knapp 1000 Menschen aus 42 verschiedenen Nationen auf dem Schiff und die waren nun meine Familie. Als ich am ersten Abend in meiner Kabine im Bett lag, hatte ich sehr viel zu verarbeiten, war aber auch gespannt auf meinen ersten richtigen Arbeitstag. Dieser war ein Seetag, was viel Stress bedeutet und somit wenig Zeit für eine richtige Einarbeitung. Ich habe direkt die ersten Kurse gegeben. Highlight dabei war definitiv Spinning unter freiem Himmel auf hoher See. Am nächsten Tag legten wir im ersten Hafen an. Ich war das erste Mal in Italien. Bisher klingt das alles ziemlich cool, oder?

War es eigentlich auch und trotzdem spürte ich in mir ein Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Neben Italien waren wir auf dieser Reise noch in Frankreich und auf Ibiza, bevor wir dann wieder auf Mallorca anlegten. Ich kann mich an jeden einzelnen Hafen noch ganz genau erinnern und könnte vermutlich ein ganzes Buch über die Erfahrungen dort schreiben. Nicht nur über die Städte, die ich gesehen habe, sondern auch über die unfassbar vielen Menschen, die ich kennengelernt habe. Auf jeder Reise kommen über 2000 neue Gäste und jedes Mal verschwinden sie nach spätestens zwei Wochen wieder. Die Reise ging weiter zu vielen sehr schönen Orten, die ich noch nicht kannte. Aber obwohl das alles so schön war, konnte ich es nicht genießen. Die Arbeit auf dem Kreuzfahrtschiff ist eine absolute Typ-Sache und eine Erfahrung, die man selbst gemacht haben muss, um sie zu verstehen. 

Ich stand also vor der Frage, warum es mir so schlecht ging, obwohl ich mich so auf dieses Abenteuer gefreut hatte. Es war mein Traum. Ich versuchte mir alles schönzureden, habe viel mit Gott gesprochen und auch mit meinen Eltern telefoniert. Der Gedanke, dass ich nach Hause möchte, kam trotzdem immer wieder.
Aber einfach aufgeben? Das passte nicht zu mir! Von mir erwartete man Kampfgeist.  Außerdem hatte ich allen erzählt, dass ich sechs Monate lang weg bin, da kann ich doch nicht schon nach einem Monat wiederkommen. Alles Neue ist am Anfang schwer, sagte ich mir, ich würde mich bestimmt noch einleben. Was soll ich zudem zu Hause? Zurück in meinen alten Job? Nein, nicht nach der großen Abschiedsfeier. 

Diese Gedanken und noch viele mehr schwirrten mir Tag und Nacht durch den Kopf. Eines Morgens wachte ich auf und war mir sicher: Ich wollte nach Hause. Der einzige, der mich davon abhalten könnte, war mein Vater. Mein größter Motivator, Ratgeber und Unterstützer, aber auch der ehrgeizigste Mensch, den ich kannte. Ich rief ihn in einer kurzen Pause an und schilderte ihm meine Lage unter Tränen. Ganz anders als erwartet, sagte er: „Julchen, pack deinen Koffer und komm‘ nach Hause. Ich habe dich noch nicht einmal glücklich am Telefon gehört. Ich weiß, dass du versucht hast es zu vertuschen, aber ich kenne dich.“ Er hatte so recht. Ich war nicht glücklich. Ich wollte meinen Traum leben, aber das tat ich offensichtlich nicht. Warum also quälen? Wofür? Und vor allem für wen? Meine Entscheidung stand also fest. 

Schon zwei Wochen später war ich wieder zu Hause. Kaum einer konnte mich verstehen, aber ich brauchte und wollte mich nicht rechtfertigen. Ich habe diese Entscheidung für mich getroffen und bisher auch kein einziges Mal bereut. Es war eine großartige Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Ich habe viel gelernt über mich, aber auch über Menschen im Allgemeinen. Es hat meine Persönlichkeit und meinen Charakter gestärkt. Das Wichtigste, was ich bei all dem gelernt habe, ist, dass es manchmal mutiger ist aufzugeben, als etwas durchzuziehen, nur weil andere es vielleicht erwarten. Im Leben kommt oft alles anderes als gedacht und das ist gut so. Ziele und Träume sind wichtig, aber lass dich nicht entmutigen, wenn etwas nicht so läuft wie geplant. Sorge dich nicht darum, was andere von dir denken, sondern höre nur auf Menschen, denen du wirklich etwas bedeutest, sie werden jede Entscheidung mit dir tragen. 

Plädoyer auf Urlaub in Ostdeutschland

„Und was, wenn wir einfach wegfahren?“
„Was?“
„Urlaub machen. Wir haben doch nichts zu tun. Machen wir einfach Urlaub wie normale Leute.“
„Wovon redest du?“
„Der Lada und ab.“
„Das ist nicht ganz das, was normale Leute machen.“
„Aber könnten wir, oder?“

— aus TSCHICK von Wolfgang Herrndorf

Das ist für mich der Inbegriff von Sommerpause. Das ist eine Konversation wie mein Verlobter Fabian und ich sie ab und an führen. Das ist wie wir Urlaub machen. Spontan. Einfach. Unkompliziert. Matratze und Schlauchboot in den Peugeot 307 werfen und losfahren. Abgelegener See googeln und am Rennsteig in einen winzigen, eiskalten Bergsee springen. Im Thüringer Wald unter dem Sternenhimmel liegen während drei Dörfer weiter “Safe and Sound” von Capital Cities vom Dorffest rüber weht. Irgendwo aufwachen und feststellen, dass genau da der schönste Ort der Welt ist. 

Es muss nicht immer eine Reise ans andere Ende der Welt sein. Manchmal reicht für ein Abenteuer schon eine ans Ende der Straße. Oder eine in den neueren Teil der Bundesrepublik Deutschland. Weil Sommergefühle und Abenteuer auch direkt hier in Deutschland zu finden sind. Und, weil die ehemalige DDR das vielleicht größte aller Abenteuer ist. 

Dieses Konzept der simplen, spontanen Alltagsauszeiten nennt sich Mikroabenteuer. Spätestens seit Corona wissen die meisten von uns wahrscheinlich was Mikroabenteuer sind, auch wenn wir den Dingen, die wir so erlebt haben, vermutlich nie dieses Label gegeben hätten. Wen das interessiert, es gibt vom Reportagemagazin GEO in der Outdoorausgabe WALDEN eine ganz großartige Zeitschrift zum Thema. Genau dieses Heft ist mir auf einer der Touren in das wunderschöne Ostdeutschland in die Hände gefallen. Plötzlich gab es da ein Wort für unsere Art Urlaub zu machen. 

Mikroabenteuer. Spontane Alltagsausflüchte und Abenteuer, die jeder in seiner Umgebung erleben kann. Das Collins Wörterbuch definiert es als „adventures that are close to home“ (Abenteuer in der Nähe von Zuhause). Quasi ein Outdoor-Erlebnis vor der eigenen Haustür. Die New York Times beschreibt es als „short, perspective-shifting bursts of travel closer to home, inspiring followers to pitch a tent in nearby woods, explore their city by moonlight, or hold a family slumber party in the backyard“. Zu deutsch: Kurze, spontane, horizonterweiternde Reisen nahe an Zuhause, die dazu inspirieren, in nahe gelegenen Wäldern ein Zelt aufzubauen, die eigene Stadt im Mondlicht zu erkunden oder eine Familienpyjamaparty im Hinterhof steigen zu lassen. 

Ich habe mich dann gefragt, warum wir eigentlich überhaupt reisen? Genau deswegen. Weil wir unseren Horizont erweitern wollen. Weil wir neue Orte entdecken wollen. Weil wir etwas erleben möchten. All das ermöglichen Mikroabenteuer ebenso wie lange Reisen ins Ausland. Weiße Flecken auf der Landkarte gibt es ohnehin quasi nicht mehr. Und wenn wir mal ehrlich sind, an die komplett unentdeckten Orte, würden wir ja eh nicht reisen. Und wenn wir noch ein bisschen ehrlicher sind, ist Ostdeutschland für viele der vielleicht größte weiße Fleck auf den Landkarten. Je länger ich in der Rhein-Neckar Region wohne, desto mehr wird mir bewusst, dass so viele Menschen leider von Ostdeutschland absolut keine Vorstellung haben. Noch nie da waren. Teilweise nicht mal wissen, welche Bundesländer es da eigentlich noch so gibt. 

Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen. Berlin mal außen vor gelassen. 

Dieser Text ist ein Plädoyer auf eben diese Bundesländer, ein Plädoyer auf Ostdeutschland. Eine formfreie Überzeugungsrede, in der man Menschen von einem Standpunkt überzeugen möchte. Und genau das werde ich jetzt tun. Als diejenige, die immer ins Ausland wollte, raus aus der deutschen Bürokratie, weg von der Spießigkeit, rein ins Abenteuer. Am liebsten für immer. Diejenige, die im Erzgebirge nie ganz ernst genommen wurde, weil wir immer die Zugezogenen waren. Diejenige, die in Sachsen nie ganz angekommen ist und sich inzwischen keinen besseren Ort mehr vorstellen kann – sowohl als Urlaubsziel als auch als Heimat. Allerdings kann ich diesen Text nicht nur auf Ostdeutschland beschränken, weil ich die ganze Bundesrepublik Deutschland liebe. Eine Freundin aus Nordhausen hat mir eine Liste mit ihren Lieblingsorten im Harz geschickt und meinte dann im Nachhinein, dass einige der Orte in Niedersachen liegen. Aber das ist eben im Harz so bisschen das Ding, weil es den Ostharz und den Westharz gab. Inzwischen verläuft da keine Grenze mehr, sondern wir befinden uns in einem vereinten Deutschland. Ohne Mauer, ohne Grenze, ohne Ausgrenzung. Mit Demokratie, mit Offenheit, mit Nächstenliebe.

Und wenn ich sage, ich liebe Deutschland, muss ich mich zeitgleich von vielen anderen Sachsen distanzieren, die genau das sagen – aus anderen Intentionen heraus. Ich liebe Deutschland, weil es Geschichte hat. Und weil diese Geschichte uns einiges zu lehren hat, wenn wir bereit sind zurückzuschauen und gleichzeitig weiterzudenken. Ich liebe Deutschland, weil es Natur hat. Und weil diese Natur uns zurück zum Wesentlichen bringt. Ich wüsste nicht, wo ich Ruhe finden sollte, wenn nicht inmitten einer gigantischen und wunderschönen Schöpfung. Ich mag, dass Handyempfang dort oft schwierig ist. Ich mag das Gefühl, dass ein Ort für einen kleinen Moment nur einem selbst gehört. Und letztendlich liebe ich Deutschland, weil hier alles zu finden ist. Meer, Flachland, Seenplatten, Mittelgebirge, Wald, Hochgebirge. Also wieso in die Weite reisen, wenn das Schöne so nah liegt? 

Ich bin so viele unzählige Male die A5/A4 quer durch Deutschland gefahren. Vom Odenwald, durch die Rhön, den Thüringer Wald, das Vogtland und das Erzgebirge. Und jedes Mal geht mein Herz auf, sobald auf dem blauen Schild Eisenach steht und der Radiosenderempfang auf Durchzug schaltet und da nur noch Stille, Wald und Schönheit sind. Jedes Mal pure Liebe, wenn die Sonne in meinem Rücken untergeht und die Straße in Gold getaucht vor mir liegt. Jedes Mal unendlicher Friede, wenn Dunkelheit sich auf dieses Land legt und die Anzahl an Autos um mich herum sinkt und da nur noch Stille, Weite und ein paar Scheinwerferlichter sind. Ich bin so gerne auf diesen Straßen unterwegs. 

Ich bin so besonders gerne in Ostdeutschland, weil die Menschen dort anders sind. Ich könnte gar nicht genau beschreiben, wie sich dieses “anders” ausdrückt – zumal auch Ostdeutschland keine homogene Masse ist, sondern ganz verschiedenen Menschen und Lebensräume. Aber ich habe nirgendwo ein solches Verlangen nach Wandel gefunden, während man mit all dem zufrieden ist, was man hat. Der Inbegriff von Zufriedenheit ohne Stagnation. Grade junge Menschen im Osten sind sehr idealistisch und haben den Traum von einem Deutschland, das Fairness lebt. Gleichzeitig gehen so viele junge Menschen weg, weil es scheinbar keine Zukunft für große Teile des deutschen Ostens gibt. Ich weigere mich das zu glauben. Ja, es gibt so viele Städte mit mehr als zehn Prozent Wohnungsleerstand. Schwerin, Zwickau, Halle, Gera, Görlitz, Chemnitz, Dessau. Von den Dörfern und der Landflucht mal ganz zu schweigen. Aber im gleichen Moment ist Leipzig das neue Berlin. Dresden ist schöner als Paris. Erfurt ist die zweitschönste Stadt der Welt. All das mögen subjektive Aussagen sein, aber umso mehr ein Grund herauszufinden, ob das stimmen kann. Umso mehr ein Grund sich diese Orte anzuschauen. Und wer das wahre Ostdeutschland sehen will, nimmt sich eben die teilweise leerstehenden Städte als Reiseziel vor. Chemnitz wird oft als hässlich umschrieben, eigentlich hat es einen ganz individuellen industriellen Charme. Und es beeindruckt mich, wie viel Platz im Osten ist, wie viele Orte es zu erkunden gibt. Da ist so viel Raum zu gestalten, so viele Baggerseen zu entdecken, so viele Kaliberge (Abraumhalden aus dem Kalisalzbergbau) zu erklimmen. Wir Millennials stehen doch auf außergewöhnlich. Wieso suchen wir das immer im Ausland?

Meistens weiß ich, wenn ich wegfahre, wohin ich unterwegs bin. In Ostdeutschland wusste ich das selten. Da war ich immer einfach unterwegs irgendwohin. Unklar mit welchem Ziel ich grade durch die Gegend fahre. Da war alles ein großes Abenteuer und ein auf der Suche sein. Und meistens weiß ich, wenn ich mich unterhalte, was ich sagen möchte. In der ehemalige DDR war mir viel zu oft unklar, was ich hier grade zu sagen habe. Dieser Fleck Erde ist die ungläubigste Region der Welt. Ein trauriger Superlativ. Aber einer, der es ermöglicht, einen Unterschied zu machen. Einer, der mir bewusst macht, dass ich Gott bei allem, was ich tue, durchscheinen lassen kann. Einer, der mich lehrt, dass mein gelebter Glaube nicht unbemerkt bleibt. Und vor allem einer, der mich Mut lehrt. Mut, zu dem zu stehen, was ich glaube – auch wenn ich damit vielleicht allein auf weiter Flur bin.

Und diese Ziellosigkeit in meinen Ausflügen und meinen Gesprächen war vermutlich das Beste, das so passieren konnte. Weil jeder Umweg und jede Konversation mich nur ein Stück näher dahin gebracht haben diese Gelassenheit und Zufriedenheit zu lernen, die Ostdeutschland so gut kann.

Letztendlich gilt für Ostdeutschland, das Gleiche wie in jedem anderen Land auch. Wenn ihr die Kultur kennenlernen wollt: Redet mit den Leuten. Fahrt auf die Dörfer. Hört unterwegs das MDR Sputnik Radio. Nehmt die weniger befahrenen und besuchten Wege und Orte.


Und weil ich gefragt wurde, was man denn nun unbedingt in Ostdeutschland gesehen haben sollte. Hier ganz persönliche Lieblingsorte – gesammelt von den wunderbaren Menschen, in meinem Leben. Danke an euch alle! Die fettgedruckten sind meine Top 10. Wenn ihr weitere Vorschläge habt, gerne in die Kommentare schreiben 🙂

Thüringen: 

  • Eisenach
    • Altstadt
    • Wartburg
    • Drachenschlucht
  • Erfurt
    • Altstadt & Krämerbrücke
    • Dom & Domplatz
    • Zitadelle Petersberg (unbedingt oben die Schaukeln ausprobieren!)
  • Weimar
    • Altstadt
    • Deutsches Nationaltheater
    • Schloss Belvedere
    • KZ Buchenwald
  • Jena
    • Planetarium
    • Paradiespark & Saale
    • Schleicher See
    • Jenzig & Fuchsturm
    • Kulturzentrum Kassa hinterm Westbahnhof
    • Bestes Panorama: Parkhausdach ehemalige Schiller Passage 
    • Bestes Essen: Fritz Mitte in der Neugasse
    • Beste Kneipe: Zuhause Bar an der Stadtkirche
    • Beste Gemeinde: Lutherhaus & SfC Jena
  • Thüringer Wald
    • Rennsteig
    • Rennsteigtunnel (längster Straßentunnel Deutschlands)
    • Oberhof
    • Neustadt am Rennsteig 
    • Bergsee Ebertswiese bei Floh-Seligenthal 
    • Ziemestaltbrücke (bester Geheimtipp Deutschlands!)
    • Saaleschleife bei Ziegenrück (Teufelskanzel)
    • Schwarzatal
  • Nationalpark Hainich & Baumwipfelpfad
  • Leuchtenburg Kahla & Porzellankirche
  • Bleilochtalsperre
  • Hohenwarte-Stausee
  • Kyffhäuserdenkmal

Sachsen: 

Wunderschönes Video zu Impressionen & Mikroabenteuern in Sachsen: https://www.youtube.com/watch?v=3sCPB1sx8LI

  • Dresden
    • Altstadt (Semperoper, Frauenkirche, Zwinger, Brühlsche Terrassen)
    • Elbufer 
    • Szeneviertel Neustadt & Alaunplatz
    • Kulturzentrum Scheune
    • Gemeinde: Zeal Church Dresden
  • Leipzig
    • Völkerschlachtdenkmal
    • Cospudener See 
    • Gemeinde: Jesus Freaks Leipzig & Elim Leipzig
  • Chemnitz
    • Nüschel (Karl-Marx-Monument)
    • Innenstadt & Roter Turm Galerie
    • Stausee Oberrabenstein
  • Freiberg
    • Besucherbergwerk Reiche Zeche
    • Alte Elisabeth
    • Dom
    • terra mineralia (größte Mineraliensammlung der Welt – klingt nerdy, ist aber ziemlich nice!)
    • Alte Porzellanfabrik Porzelline (Lost Place)
    • Gemeinde: Jakobi-Christophorus Gemeinde Freiberg
  • Meißen
    • Albrechtsburg
    • Dom
    • Porzellanmanufaktur
  • Schlösser & Burgen
    • Schloss Augustusburg
    • Schloss Moritzburg
    • Burg Rabenstein
    • Festung Königstein
  • Natur 
    • Fürst Pückler Park Bad Muskau 
    • Talsperre Eibenstock
    • Senftenberger See
    • Lausitzer Seenland
    • Sächsische Schweiz/Elbsandsteingebirge
      • Bastei
      • Schrammsteine
      • Bad Schandau
      • Übernachtung für Naturfreunde: Boofen (googelt das einfach mal)
  • Erzgebirge
    • Schwartenberg
    • Fichtelberg
    • Göltzschtalbrücke (höchste Ziegelsteinbrücke der Welt)
    • Seiffen
    • Freizeit- und Erlebnisbad „Aqua Marien“ Marienberg
    • Silberstraße von Zwickau nach Dresden

Die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří (Sachsen/Tschechien) ist übrigens der neueste, deutsche Eintrag in die UNESCO Welterbeliste! Genau dort habe ich den besten Sommer meines Lebens verbracht. Genau genommen habe ich dort die allermeisten Sommer meines Lebens verbracht, aber dieser eine Sommer war außergewöhnlich. Wir haben auf Halden gepicknickt, waren in Bergwerkschächten wandern, haben Roadtrips über die Grenze nach Tschechien auf der Simme oder im Golf 3 unternommen, waren in alten Porzellanfabriken lost placen, haben Sterni in alten Flugzeugerhangars getrunken. Ich kann euch jede einzelne dieser Aktionen nur wärmstens ans Herz legen!

Sachsen-Anhalt: 

  • Nationalpark Harz
    • Rappbodetalsperre
    • Thale
    • Bodetal
    • Wernigerode
    • Quedlinburg
    • Sophienhof (Thüringen)
    • Neustädter Talsperre (Thüringen)
    • Braunlage (Niedersachsen)
    • Okertalsperre (Niedersachsen)
  • Saale-Unstrut-Tal (da kann man wunderbar Radfahren!)
  • Naumburg
  • Gradierwerk Schönebeck
  • Magdeburg
  • Bestes Dorf: Eggersdorf (unbedingt in der Pension Rita Koch übernachten!)

Brandenburg: 

  • Spreewald
  • Mark Brandenburg
    • Gutshof Michelfeld
    • Lehnitzsee

Mecklenburg-Vorpommern: 

  • Rügen
    • Schlossruine Dwasieden Sassnitz (Lost Place)
    • Leuchtturm Sassnitz
    • Nationalpark Jasmund & Königsstuhl (Kreidefelsen)
    • Kap Arkona
  • Greifswald
  • Kühlungsborn (unbedingt mit Molli durch die Gegen touren!)
  • Zingst
  • Usedom
  • Müritz (größter gesamtdeutscher See)

Beitragsbild ist auf der Ziemestalbrücke im Thüringer Wald entstanden. Aufgenommen vom wunderbaren Fabian. Danke!

Zwölf Stunden später

Janina, fast 21, Studentin aus Heidelberg, liebt Gemeinschaft & Menschen, die von Jesus begeistert sind. Lässt sich besonders für gemeinsamen Lobpreis, Outdooraktivitäten oder gemeinsame Handlettering-/Spieleabende begeistern.


Voller Vorfreude stieg ich abends in den Bus ein. Nur noch einmal schlafen und schon würde ich bei meinem Freund sein. Ich machte es mir im Bus gemütlich, schaute einen Film und versuchte dann, so gut es eben ging, zu schlafen. Obwohl ich immer wieder aufwachte, konnte ich mich doch einigermaßen erholen. Am nächsten Morgen stieg langsam die Nervosität. Nur noch etwa eine Stunde und ich würde meinen Freund endlich wiedersehen und gemeinsam mit ihm ein paar schöne Tage verbringen. Ich malte mir aus, wie es wohl werden würde, sich nach einem Monat wiederzusehen. Auf jeden Fall war meine Freude riesig und ich schrieb ihm, dass mein Bus sogar noch etwas früher ankommen würde, als geplant. 

Mittlerweile waren wir an der slowenisch-kroatischen Grenze angekommen und der Busfahrer forderte uns auf, auszusteigen und unsere Ausweise vorzuzeigen. Ich zog also meine Schuhe an und nahm meinen Geldbeutel, um meinen Ausweis herauszuholen. Verwundert, dass dieser nicht an der gewohnten Stelle war, begann ich etwas hektisch, meine Sachen zu durchsuchen. Normalerweise habe ich ihn immer in meinem Geldbeutel. Wo ist er denn? Das kann doch wohl nicht sein? Bin ich etwa im falschen Film? Da fiel mir ein, dass ich ihn wahrscheinlich nach meinem Flug aus Norwegen zwei Tage zuvor in meiner anderen Jacke vergessen hatte. 

Etwas nervös stieg ich aus dem Bus aus und stellte mich in der Schlange zur Passkontrolle an. Zum Glück hatte ich noch ein Foto von meinem Ausweis auf dem Handy und meinen Führerschein dabei. Da ich ja innerhalb der EU reiste, würde ich schon irgendwie durchkommen, dachte ich. Kurz hatte ich noch überlegt, mich einfach in der Toilette des Busses zu verstecken, aber lieber direkt ehrlich sein, als später dort entdeckt zu werden. 

Als ich an der Reihe war, erklärte ich der Polizistin alles, zeigte ihr meinen Führerschein und das Foto meines Ausweises. Doch sie antwortete in gebrochenem Englisch, dass das so nicht ausreiche und sie meinen Pass sehen möchte. Ich versuchte es ihr nochmal zu erklären, doch sie blieb dabei und holte schließlich den Busfahrer, redete kurz auf Kroatisch mit ihm, bis dieser zu mir sagte: „You can go back, it is your problem.“ Ich verstand erst gar nicht genau, was er meinte und meine Anspannung wurde immer größer. Wohin sollte ich denn jetzt gehen? Wieder in den Bus oder an der Grenze warten oder was meinte er. Schließlich kam der zweite Busfahrer und meinte, ich solle ihm sagen, welches meine Tasche ist und dann könne ich mit meinem Gepäck einen Bus nehmen, der wieder zurück nach Lubiljana fahren würde.

Jetzt begriff ich erst wirklich, dass ich hier nicht durchkommen würde. Völlig verzweifelt und überfordert, fing ich an zu weinen und ging mit ihm zum Bus, um mein Gepäck zu holen. Was sollte ich jetzt machen? Ich hatte mich doch so gefreut und den ganzen weiten Weg nicht auf mich genommen, um kurz vor dem Ziel wieder umzudrehen und nach Hause zu fahren. Gab es keine andere Möglichkeit über die Grenze zu kommen? Ich überlegte, ob ein anderer Polizist vielleicht gnädiger wäre und noch ein Auge zudrücken würde, doch alle waren beschäftigt und mein Bus fuhr gerade schon über die Grenze – ohne mich. Könnte man mit einem Taxi irgendwo über eine unbewachte Grenze fahren? Ich war doch in der EU, irgendwie musste es doch möglich sein. Völlig überfordert, rief ich meinen Freund an, um ihm erstmal zu sagen, dass ich nicht wie geplant in 45 Minuten bei ihm sein würde, sondern gerade an der Grenze feststeckte. Ich fragte ihn, was ich nun machen sollte. Er war auch erstmal geschockt und meinte, ob es dort niemanden gab, der mir helfen könne. Um mich herum standen ein paar Kroaten, die auch mit dem Bus nach Ljubiljana fahren wollten und kein Englisch sprachen. Er riet mir, mit dem Bus erstmal nach Ljubiljana zu fahren und dort dann mal in die Deutsche Botschaft zu gehen. Irgendwas in mir sträubte sich aber dagegen, ich wollte nicht einfach zurückfahren und aufgeben. So konnte das alles doch nicht wirklich enden. Und was sollten die in der Botschaft schon machen, außer mir zu sagen, dass es dumm ist, ohne Ausweis zu reisen. Da ich aber auch keine bessere Idee hatte, fuhr ich also wieder zurück nach Ljubljana. Auf der Fahrt saß ich weinend neben drei Kroatinnen, die mich nur mitleidig ansahen, und offensichtlich mit mir überfordert waren. Gleichzeitig versuchte ich mit meinem Freund übers Telefon herauszufinden, was ich am besten als Nächstes machen sollte. 

Er fand heraus, dass man in der Deutschen Botschaft in Ljubljana einen vorläufigen Pass beantragen konnte. Ich schöpfte also wieder etwas Hoffnung, dass ich vielleicht doch noch an dem Tag über die Grenze kommen würde. Da fiel mir auf, dass ich meine andere Tasche mit meinen Ladekabeln und meinem iPad noch im anderen Bus vergessen hatte. Dieser Tag war einfach nur bescheuert. Kurz vor Ljubljana fiel mir auf, dass die Botschaft erst wieder Termine für den nächsten Tag freihatte. Erneut fing ich an zu weinen. Sollte ich jetzt auch noch dort ein Hotel buchen müssen und dann womöglich erst am nächsten Abend in Zagreb ankommen? Dann würden uns ja nur noch eineinhalb gemeinsame Tage bleiben. Während ich dann aus dem Bus ausstieg und mich bemühte mit den wenigen Leuten, die im Bus Englisch sprachen, eine Taxifahrt ins Zentrum zu organisieren, rief mein Freund bei der Botschaft an und sagte mir, dass ich doch noch heute kommen könnte, aber Passbilder und Bargeld mitbringen sollte.

Im Zentrum angekommen, versuchte ich mich also zusammenzureißen und alles so gut wie möglich hinter mich zu bringen. Ich ging zum Fotostudio, machte Passbilder, hob Geld ab und ging danach zur Botschaft. Während der Wartezeit dort, versuchte ich mit dem wenigen Handyakku, den ich noch hatte, schonmal eine neue Verbindung nach Zagreb zu suchen. Wenn ich Glück hatte, würde ich am Nachmittag schon in Zagreb sein. Als ich meine Formulare ausgefüllt und abgegeben hatte, meinte die Dame, dass die Passausgabe, wenn alles gut läuft um 15 Uhr 30 sei, da sie erst noch Kontakt zu den Behörden in Deutschland aufnehmen müssten. Toll, dann konnte ich die rausgesuchte Verbindung vergessen und erst abends nach Zagreb fahren. Was sollte ich denn jetzt noch mit sechs Stunden hier anfangen. Handyakku hatte ich kaum mehr, sodass ich nicht wusste, ob es überhaupt noch reichen würde, um abends dem Busfahrer das Ticket zu zeigen. Egal, ich sollte froh sein, wenn es überhaupt klappen würde. Und so beschloss ich, in meiner fast ausweglosen Situation das Beste daraus zu machen und Ljubiljana in der Zeit etwas kennenzulernen. So lief ich durch die Innenstadt und bummelte durch ein paar Läden, kaufte mir neue Kontaktlinsen, da ich diese und meine Brille auch im Bus liegen gelassen hatte. Mit – im wahrsten Sinne des Wortes – neuer Sicht, konnte ich die Zeit dort bei schönem Wetter noch ganz gut genießen. Ich setzte mich immer wieder auf eine Bank und nutzte die Zeit, um Bibel zu lesen und zu beten. 

Als ich dann um 15 Uhr 30 zum Glück meinen vorläufigen neuen Pass bekam, war ich ziemlich erleichtert. Ich lief nochmal ein bisschen durch die Innenstadt und hatte schließlich noch gerade so genug Akku, um das Busticket zu zeigen und nach der Grenzüberfahrt meinem Freund Bescheid zu geben, dass diesmal alles klappte und ich um kurz nach neun in Zagreb ankommen würde.  Zum Glück war dem auch so, sodass ich, zwölf Stunden später als eigentlich geplant, bei ihm in Zagreb ankam – gar nicht mehr nervös über das Wiedersehen, sondern nur noch erleichtert. 

Heute kann ich echt dankbar zurückblicken und bin erstaunt, wie ich es geschafft habe, trotz der schief gelaufenen Situation die Stunden in Ljubljana zu genießen. Das ermutigt mich in Situationen, in denen alles nur schief zu laufen scheint, in Zukunft die Situation anzunehmen und das Beste daraus zu machen. Meinen Blick weg von meinen Fehlern hin zu Gott zu richten. Außerdem werde ich wohl nie mehr meinen Ausweis vergessen und weiß jetzt, dass Kroatien nicht Teil des Schengen-Abkommens ist und man somit an der Grenze seinen Ausweis zeigen muss. Und schlussendlich weiß ich jetzt, auf wen wirklich Verlass ist – auf Gott und auf meinen Freund.

Danke, dass du mich unterstützt und getröstet hast, wo es ging. 


Danke an Imre Tömösvári für das Foto von Unsplash.

Gedanken zu Europa

„Bunt ist meine Lieblingsfarbe“

Walter Gropius

Im Alter von 5 Jahren kam ich mit Eltern und Brüdern nach Deutschland und wuchs ab dem Zeitpunkt zweisprachig auf. Ich war – und das war mir immer bewusst – anders. In zweifacher Hinsicht: wir waren die einzigen Ausländer im kleinen Dorf am Fuße des Schwarzwalds (wenige Jahre später war ich der einzige Ausländer auf dem örtlichen Gymnasium in der benachbarten Stadt) und wir waren Baptisten (teilweise über mehrere Generationen zurück), folglich war ich das auch. Dass ich dennoch den evangelischen Religionsunterricht in der Grundschule besuchte, half nicht darüber hinweg, dass keiner meiner Schulkameraden verstehen konnte was Baptisten sind.

„Gedanken zu Europa“ weiterlesen

Alltagspropheten TALK #03 – Ausland

In der dritten Folge im Talkformat sprechen wir über Auslandaufenthalte. Viele haben sich sicher schon einmal darüber Gedanken gemacht. Sei es ein FSJ, Work and Travel oder ein Auslandssemester…
Joschka, der für ein Semester nach Kroatien zieht, fragt Philipp über seine Erfahrungen aus, der in Nepal aufgewachsen ist und bis vor einem Jahr in England gelebt hat.

Viel Spaß beim Anhören!