Teuflische Zauberkunst?!

Sören, 21, Student und Zauberkünstler.
Seit elf Jahren von der Zauberkunst in den Bann gezogen. Verbringt die Wochenenden damit, seine Leidenschaft mit anderen zu teilen. Vom Kind auf den Straßen Kubas bis zu zweitausendvierhundert Menschen in der Alten Oper in Frankfurt.
Liebt Kaffee, Kameras und Ordnung.

Ich bin einer von schätzungsweise fünftausend in Deutschland. Einer von fünftausend Menschen, der die Zauberkunst als Hobby oder Beruf betreibt.

Man begegnet uns und unseren Shows auf Hochzeiten, Geburtstagen, Vereinsfesten, Firmengalas, im Theater oder im Fernsehen. Wir schaffen Illusionen und Wunder, indem wir mit Fingerfertigkeit, Ablenkung und unterhaltsamen Präsentationen Kunststücke erschaffen und auf die Bühne bringen.

Mit dieser ungewöhnlichen Leidenschaft wird man, oft schneller als einem lieb ist, zum Gesprächsthema und bekommt regelmäßig die gleichen Fragen gestellt: „Wie kommt man zum Zaubern?“, „Kann man davon leben?“, „Können Sie mir Geld zaubern?“…

Im vergangenen Jahr habe ich jedoch eine Frage gestellt bekommen, mit der ich nie gerechnet hätte und über die ich heute aufklären möchte:

Vor einem Auftritt fragte mich eine junge Zuschauerin, ob Zauberkunst nicht ein Werk des Teufels sei. Ich dachte erst, dass sie einen Witz machte, doch dann ist mir bewusst geworden, dass es auch im aufgeklärten einundzwanzigsten Jahrhundert offensichtlich manchmal noch Probleme mit einer gewissen Grenzziehung gibt. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um aus der Sicht eines Zauberkünstlers auf Glaube, Irrglaube und Missbrauch der Zauberkunst zu blicken.

Meiner Meinung nach muss man ganz klar drei Bereiche voneinander unterscheiden,  die absolut nichts miteinander zu tun haben: Religion, Zauberkunst und esoterisch-okkultistische Praktiken.

  1. Die Mehrheit der Deutschen bezeichnet sich (noch) als gläubig und ist teilweise einer Kirche oder kirchenähnlichen Institution zugehörig. [1] In fast jeder Religion gibt es Rituale und Zeremonien, sowie den Glauben an Phänomene, die über den menschlichen Verstand hinausreichen. Im Rahmen des Grundgesetzes ist die Ausübung dieser Rituale geschützt und die Stellung der Kirche wird in der Gesellschaft gesichert. Jedoch gibt es unterschiedlich starke Ausprägungen von religiösen Ritualen und in stärker differenzierten Gruppen einen größeren Hang zu dynamischeren Zeremonien.
  2. Zauberkunst ist reine Unterhaltung. Sie steht auf einer Stufe mit Musik, Tanz, Theater und Co. Nur steht hier nicht die Melodie, die Choreografie oder Geschichte im Mittelpunkt, sondern die (scheinbare) Außerkraftsetzung der Naturgesetze. Das erste datierte Zauberkunststück wurde laut des „Papyrus Westcar“, einer ägyptischen Papyrusrolle von ca. 1760 v.Chr. (Angaben variieren) von einem Zauberer namens Dedi im antiken Ägypten vorgeführt. [2]  Über das Gauklertum im Mittelalter entwickelte sich die Zauberkunst durch Robert Houdin zu einer beliebten Unterhaltungsform für den Adel.
  3. Parallel hierzu gab es schon immer Rituale, mit denen Menschen scheinbar Übersinnliches bewirkt haben. Ob Gläserrücken, Teufelsaustreibung oder Kontakt zum Jenseits – die Faszination für solche Praktiken hat es immer gegeben. Ich bin der Überzeugung, dass das jedoch wissenschaftlich gesehen „Humbug“ ist. Leider wird für solche Machenschaften immer wieder auf die Grundfeste der Zauberkunst zurückgegriffen. Und hier liegt das Problem. Ein jeder Zauberkünstler kann ein Kartenspiel in seiner Hand so geschickt manipulieren, dass die Karten so liegen wie er sie haben möchte, um den Zuschauer damit zu verblüffen. Mit den gleichen Techniken kann ein „Wahrsager“ die Tarotkarten nach seinem Wunsch ordnen, um dafür empfänglichen Menschen scheinbar etwas über die Zukunft zu sagen bzw. ihr Geld zu bekommen. Der englische Zauberkünstler Derren Brown ist im Fernsehen dafür bekannt geworden, wie er die Praktiken von sogenannten „Wunderheilern“ entlarvt hat, indem er einem Laien einfache Zaubereffekte beibrachte, mit denen dieser scheinbar Schmerzen lindern und Gliedmaßen verlängern konnte.

Da es sich bei Zauberkunst um eine Unterhaltungsform handelt, steht diese nicht im Widerspruch zum Glauben. Im weit gefassten Kontext von Religionsausübung gibt es jedoch leider immer noch Praktiken, die sich der Techniken der Zauberkunst bedienen, um Macht und Überlegenheit zu demonstrieren. Das führt für manche religiösen Menschen zu Problemen und Unsicherheiten – das mögen einige wenige Menschen sein, aber sie sind für den Missbrauch von Zauberkunststücken empfänglich.

Wenn man Zauberkunst jedoch richtigerweise als Kunstform sieht, bieten sich auch im christlichen Kontext ganz neue Spielräume. Wo bei christlichen Veranstaltungen oft Musik die einzige Kunstform ist, kann Zauberkunst eine noch viel größere Gemeinschaft schaffen. Nicht jeder ist von christlicher Popmusik mitgerissen, aber Zauberkunststücke (also vermeintliche Wunder) begeistern Menschen und bringen sie miteinander ins Gespräch.

Vor zwei Jahren war ich zauberhafter Gast bei der Weltausstellung in Wittenberg anlässlich des Luther-Jubiläums. Die über vierhundert Besucher der Open-Air-Veranstaltung waren überwiegend Christen, die sich von meiner Show mitreißen ließen und für eine ausgelassene Stimmung sorgten. Mein Fazit: Das Talent, Menschen mit Zauberei begeistern zu können, ist ein Geschenk Gottes.


[1] Schmitt, Stefan „Erlösung unerwünscht“, in: Die Zeit, Nr. 37/2010; https://fowid.de/meldung/religionszugehoerigkeiten-deutschland-2017 (zuletzt abgerufen 26.02.2020, 11:08 Uhr)

[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Papyrus_Westcar (zuletzt abgerufen 26.02.2020 15:35 Uhr)


Das Beitragsfoto hat Sören selbst gemacht.

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