Ich bin mal wieder draußen im Garten. In meiner Hand ein Spaten. Schweiß läuft mir über die Stirn. Wenige Zentimeter unter mir steht mein bester Freund in einem Loch. Wir graben schon seit einigen Tagen, aber es zeigt sich kein großer Fortschritt. Lautstark diskutieren Daniel und ich über die beste Vorgehensweise. Wenn wir so weitermachen, schaffen wir es nie, den Tunnel von Nepal nach Deutschland rechtzeitig fertig zu graben. Wenn das nicht klappt, müssen wir das nächste Mal schon wieder fliegen und davor habe ich doch Angst! Wie schaffen es die Großen nur so schnell zu graben? Auf ein Mal schallt ein lautes Rufen über den Hof: “Philipp, Daniel, Zeit ins Bett zu gehen!” Oh nein. Schon wieder. Es ist doch noch total hell! Wir tun so, als würden wir nichts hören und fangen ganz schnell wieder an zu graben. Doch nur kurze Zeit später, ein zweites Rufen. Diesmal klingt es deutlich näher. Missmutig tragen wir die Werkzeuge in den Schuppen und trotten meiner Mutter hinterher. “Irgendwann, wenn ihr groß seid, dürft ihr länger wach bleiben.” Aber jetzt müssen wir ganz schnell Zähneputzen und ins Bett gehen. Wie oft ich das nur höre. “Nein Philipp, das ist nur für Große.” Wann werde ich endlich so groß, wie die Erwachsenen? Dann darf ich alles! Aber was, wenn das alles eine große Lüge ist? Was, wenn es gar nicht stimmt, dass wir irgendwann mal groß werden? Wie Mama und Papa. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie Mal Kinder waren? Wie soll das denn gehen?
Das ist eines von vielen Dingen, die ich als Kind geglaubt habe.
Als meine Mama mir einmal das Faxgerät erklärte, glaubte ich, dass das Papier mit dem Text durch die Leitung – Quasi als Rohrpost – zum Empfänger geschickt wird.
Als in der Gemeinde Beutel herumgingen, um Spenden zu sammeln und die Gemeindemitglieder geheimnisvoll und andächtig hineingriffen, glaubte ich, es wäre eine geheime Umverteilungsmaßnahme. Die Reichen schmeißen Geld rein, die Armen nehmen sich etwas heraus.
Als ich auf der Weltkarte die dicken Linien an den Ländergrenzen sah, fragte ich mich, wem wohl das Land auf der roten Linie gehört.
Oder was wäre, wenn sich die Erde nur dreht, weil am Äquator Menschen, wie auf einem Laufband, nichts anderes machen, als den ganzen Tag auf der Stelle laufen?
Natürlich wusste ich irgendwie, dass das keinen Sinn ergibt. Trotzdem kamen mir zum Beispiel häufig Zweifel, dass ich wirklich einmal so groß werden würde wie die Erwachsenen.
In letzter Zeit unterhalte ich mich nach dem Gottesdienst häufig mit einem dreijährigen Jungen. Immer, wenn ich etwas erzähle, legt er kurz seinen Kopf schief, nimmt die Hand an den Mund und denkt kurz nach. So gerne würde ich ihm in den Kopf schauen. Was denkt er wohl in der Zeit? Vermutlich versucht er das Gesagte in sein Weltbild einzuordnen. Stimmt es, was der komische Typ erzählt? Kann ich ihm vertrauen?
Ich bin immer wieder fasziniert, wenn ich darüber nachdenke, wie viel Kinder den Tag über verarbeiten und aufnehmen müssen. Jeden Tag gibt es neue Erfahrungen und Eindrücke. Alles müssen sie irgendwie einordnen. Jedes neue Erlebnis trägt dazu bei, dass das Weltbild ein kleines bisschen weiter geformt wird. Das passiert so häufig, dass es ganz normal ist, alte Gedankenkonstrukte zu verwerfen und neu zu denken.
Wir Erwachsenen sind dagegen oft so festgefahren in unserem Denken. So wie ich es gelernt habe, muss es sein. Da gibt es nichts zu rütteln. So wie es früher war, ist es gut und daran darf sich nichts ändern!
Jesus sagte in Matthäus 18 einmal, wir sollen so werden wie Kinder. Wir sollen nicht zu hoch von uns Denken. Wir sollen nicht glauben, wir hätten die Weisheit für uns gepachtet. Ich will nicht, dass mein Glaube festgefahren und statisch ist, sondern sich stetig weiterentwickelt. Ich denke, es gibt niemanden auf dieser Welt, der jetzt schon alles verstanden hat. Jeden Tag kann ich neue Dinge über Gott lernen.
Je älter ich wurde, desto mehr zweifelte ich an der Theorie, dass man nicht größer wird. Allein schon ein Blick in mein Fotoalbum zeigte mir ziemlich deutlich, dass das nicht stimmen kann. Glaube und Zweifel hängen also stark miteinander zusammen. In den nächsten Wochen wollen wir bei Alltagspropheten diesem Thema weiter auf den Grund gehen. Dürfen Christen überhaupt zweifeln? Wie kommt man aus dem Zweifeln wieder heraus? Was, wenn ich daran zweifle, was ich tue? Muss man zweifeln, um zu Glauben? Mit diesen und weiteren Fragen werden wir uns beschäftigen.
In der Zwischenzeit würde mich interessieren, woran habt ihr als Kind geglaubt? Was hat euch vom Gegenteil überzeugt? Schreibt es uns gerne an info@alltagspropheten.de oder erzählt es und auf Instagram. Ich bin schon gespannt auf eure Geschichten!
Text: Philipp Jenny
Bild: Philipp Jenny