Kurz vor Neun. Sonnenstrahlen fallen auf mein Gesicht, auf meine Arme und die Bettdecke. Ich genieße den Moment eine Weile, kuschele mich nochmal tief in meine Decke ein und sonne mich in der Wärme, die mein Fenster durchdringt. Die Vorhänge mache ich abends schon lange nicht mehr zu. So ist die Sonne das erste, was mich morgens aufwachen lässt. Die Minuten schreiten dahin und eigentlich will ich viel lieber noch länger liegen bleiben. Nachdem ich mir aber einen kurzen Ruck geben, stehe ich auf und tappe ins Bad. Kurze Morgenwäsche und dann weiter zur Kaffeemaschine. Während mir der Duft von starkem, schwarzem Kaffee in die Nase steigt, werde ich immer wacher. „Wie dankbar bin ich für diese Kaffeemaschine“ denke ich mir jedes Mal, wenn ich sie sehe. Mit dem Kaffee in der Hand geht es zurück zum Sofa. Dort hole ich meine Bibel und meinen Laptop hervor. Nach einer Weile gibt es den zweiten Kaffee und ein leckeres Frühstück.
Als Nächstes checke ich meine E-Mails. Das Postfach läuft über von Arbeitsaufträgen und Anweisungen: Familienrecht, Zwangsvollstreckung, Tarifverträge… Wann muss ich das erledigen? Heute. Abgabetermin? Morgen. Nun, irgendwie und irgendwann muss ich ja anfangen. Und damit mache ich mich an die Arbeit. Den ganzen Vormittag brauche ich dafür, zwischendurch gibt es einen dritten Kaffee. Mittags lasse ich das Essen mittlerweile einfach weg. Entweder vergesse ich es oder haben kein Hunger. Schließlich hocke ich ja eh nur daheim herum.
Nachmittags werden hier und da Kleinigkeiten erledigt, die Wohnung aufgeräumt und was sonst so anfällt. Der Uhrzeiger steht dann schon auf sechs Uhr und draußen taucht die Abendsonne alles in wunderschönes Licht. Ein bisschen frische Luft und Bewegung tut gut, deshalb ziehe ich meine Jacke und Schuhe an und mache einen kleinen Waldspaziergang. Der liegt ja glücklicherweise direkt vor meine Haustür. Als ich nach einer 3/4 Stunde zurückkomme, ist es fast schon dunkel. Ich kehre zurück auf mein Sofa, in der Hand eine Schale voll Obst und öffne Netflix. Und damit ist der Abend ausgefüllt. Irgendwann werde ich müde, lege mich hin und genieße noch etwas die Sterne direkt über meinem Kopf. Ich reflektiere den Tag nochmal kurz und danke Gott dafür. Noch ein Blick auf das Handy und ich schlafe ein.
So in etwa sieht im Moment mein Tagesablauf aus. Ok, nicht immer läuft der Tag so produktiv ab wie beschrieben. Es gibt auch Tage, an denen ich nichts anderes mache, als auf dem Sofa zu gammeln. Und ich liebe es. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal so entspannte Tage erlebt habe. Ihr habt es bestimmt gemerkt, ich sitze auch zu Hause in Quarantäne. Nicht offiziell, aber ich habe das Gefühl, dass wir im Moment alle in einer Art „Selbstquarantäne“ sitzen. Seit ungefähr zwei Wochen bin ich nun zu Hause und von der Arbeit freigestellt. Eigentlich ist es untertrieben zu behaupten, ich wäre bei der Ankündigung, dass wir zu Hause bleiben sollen, in einen Freudentaumel gefallen. Endlich mal Zeit, keine Arbeit, keine langen Anfahrtszeiten und keine Verpflichtungen.
Gleichzeitig könnte ich genauso gut in ein tiefes Loch fallen. Ich weiß, dass ich sehr emotional veranlagt bin und die Situation im Moment bringt meine ganze Gefühlswelt durcheinander. Allein schon alle abgesagten Events, Konzerte und Konferenzen könnten mich zum Heulen bringen. Um euch das bisschen zu verdeutlichen: Schon im Januar hatte ich bis Ende Juli meinen Terminkalender voll durchgeplant. Jedes Wochenende war mindestens eine Sache, auf die ich mich freuen konnte. Sei es die Steps-Konferenz, ein Frauenwochenende, unser Alltagspropheten-Offline-Meeting oder der SAT-Gottesdienst, den ich moderiere. Ich bin sicher, ihr könnt euch sehr gut vorstellen wie es ist, wenn dieser Plan und die damit verbundene Vorfreude nun komplett auf den Kopf gestellt wird! Mein Geburtstag in zwei Wochen wird wahrscheinlich so aussehen, dass ich alleine zu Hause sitze und mich langweile. Das macht mich ganz schön traurig und enttäuscht, gleichzeitig aber auch wütend.
Doch inmitten meines chaotischen Gefühlslebens fällt mir plötzlich eine kleine und unscheinbare Situation ein, die schon paar Wochen her ist. Ich saß mit meinen Eltern im Wohnzimmer und erzählte ihnen über meine Pläne für das nächste halbe Jahr. Dabei zeigte ich ihnen auch meinen Terminkalender auf dem Handy, in dem wirklich jedes Wochenende markiert war. Dabei jammerte ich, wie viel Stress ich doch hätte und das zwei coole Events auf einen Tag fallen würden, zwischen denen ich mich nicht entscheiden konnte. Meine Eltern waren natürlich über den vollen Kalender nicht grade begeistert und versuchten mir klar zu machen, dass ich dies unmöglich alles durchziehen könnte und meinem Körper auch mal eine Pause gönnen sollte. Und an die Ausbildung musste ich auch denken. Den Rat den mein Vater mir mitgab: „Bete doch mal über deinen Terminkalender!“
Im ersten Moment fragte ich mich, was das bringen sollte. Ich würde deswegen kein einziges Event oder Konzert streichen. Trotzdem schickte ich nach einer Weile doch ein Gebet nach oben. Ich weiß nur noch, dass ich dabei weiter dachte, alle Termine durchziehen zu können und Gott mir die nötige Kraft dazu schenken würde. In diesem Punkt hörte ich nicht auf den Rat meiner Eltern und stellte mich selbst quer. Ich sah nicht ein, auch nur ein Event zu streichen und so zu verpassen.
Kennt ihr das Sprichwort: „Man kann nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen“? Nun, statt mir eine Hochzeit auszusuchen und die andere zu streichen, fielen einfach beide gleichzeitig weg. Vor einer Woche strich ich dank der Corona-Krise mehr oder weniger unfreiwillig alle Termine, Geburtstagsfeiern, Meetings, Konzerte und Konferenzen aus meinem Kalender. Dieser ist nun leer. Keine Markierungen, keine Farben. Und ich habe Zeit. So viel Zeit wie seit langem nicht mehr.
Die Lektion die ich gelernt habe? Gottes Wege sind nicht meine Wege und seine Gedanken nicht meine Gedanken (Jesaja 55, 8). Ich habe geplant ohne Rücksicht auf mich oder meinen Körper und Gott musste mir leider auf die harte Tour zeigen, dass dies nicht unbedingt das Richtige war. Auch wenn das ja keine schlechten Dinge waren, auf die ich mich gefreut habe. Im Gegenteil. Aber… Wer nicht hören will, der muss fühlen!
Ich glaube Gott benutzt die Zeit auch gerade einfach, um mir persönlich zu zeigen, dass ich auch mal einen Gang runterschalten und Prioritäten setzen muss. Das habe ich jedenfalls bis jetzt gelernt. Und ich bin gespannt, welche Erkenntnisse noch auf mich warten. Die Corona-Krise ist kein Geschenk des Himmels und fordert jedem etwas ab, dennoch können wir die Zeit, die wir jetzt über haben, sinnvoll nutzen. Das bedeutet für mich zum Beispiel mehr Zeit mit Gott und der Familie zu verbringen, meinen Kleiderschrank auszumisten und alte Kleidung in die Kleidersammlung zu geben, einen großen Frühjahrsputz zu veranstalten und Spaziergänge zu machen. Und natürlich einfach mal nichts zu tun.
In diesem Sinne genießt die Zeit mit euch selber und eurer Familie und bleibt daheim!
Eure Larissa
Danke an Unsplash.com und Joshua Rawson-Harris für das Bild:)