WHAT WOULD JESUS WEAR?

Heute geht’s um Minimalismus im Kleiderschrank. Aber nicht darum, wie viele Kleidungsstücke in einen minimalistischen Kleiderschrank gehören, sondern vor allem welche. Denn ich verbinde mit einem minimalistischen Kleiderschrank ganz besonders die Wertschätzung jedes einzelnen Kleidungsstücks.

Aber welchen Wert hat Kleidung in unserer Gesellschaft? Welchen Wert hat Kleidung für dich? Und was macht ein Kleidungsstück (für dich) wertvoll?

Jahrelang kaufte ich mir neue Kleidung ohne zu hinterfragen, wie es überhaupt möglich war, diese zu so günstigen Preisen produzieren zu können und ohne auch nur einmal die Produktions- und Lieferkette meiner Kleidungsstücke zu recherchieren.
Vor vier Jahren informierte ich mich aber (finally!) über die Herstellungs-, Transport- und Arbeitsbedingungen der größten Textilindustrien weltweit. Und vor vier Jahren entschied ich mich dazu, keine Kleidung mehr zu kaufen, die in diesen Textilindustrien hergestellt wurde.

Eine Entscheidung, die mich zwar anfangs herausforderte, aber die mit jeder meiner weiteren Recherchen sicherer und unabdingbarer wurde. Eine Entscheidung, die für mich als Christin, aber auch für mich als junge, deutsche, privilegierte Frau mehr als überfällig war. Eine Entscheidung, von der ich mir wünsche, dass sie noch so viel mehr Menschen treffen.

Warum?

  • Mehr als 70 % aller Textilien und Kleider, die in die EU importiert werden, kommen aus Kleidungsindustrien in Asien und Afrika. In den Industrien herrschen meist prekäre Arbeitsbedingungen (z.B. keine Sicherheitsvorschriften, keine Krankenversorgung, Akkordarbeit, schlechte Bezahlung, Forderung von Überstunden, etc.) *
  • In Bangladesch stürzte 2013 eine achtstöckige Textilfabrik ein. Mehr als tausend Arbeiter:innen starben, fast 2500 Menschen wurden verletzt. Ähnliche Unglücke passieren leider immer wieder.
  • 80% der Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie sind Frauen. Die meisten von ihnen sind unter 25 Jahren alt. Viele von ihnen sind minderjährig. Mehr als 70% der Frauen haben körperliche oder sexuelle Gewalt am Arbeitsplatz erfahren. Aus Angst, ihren Job zu verlieren, trauen sie sich meist nicht, sich zu wehren. Zudem werden Frauen in der Textilindustrie bis zu 30% weniger bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Bei Schwangerschaft und Krankheit gibt es kein Gehalt und keine Beurlaubung.
  • 93% der Textilunternehmen zahlen ihren Arbeiter:innen keinen Existenzlohn. Das bedeutet, dass die Textilarbeiter:innen ihre grundlegendsten Bedürfnisse und die ihrer Familie nicht decken können und deshalb viele Überstunden machen. Eine Näherin im Kambodscha verdient monatlich 146€, obwohl der Existenzlohn im Land bei 477€ liegt. Eine Näherin in Äthiopien verdient monatlich sogar nur 25€, obwohl sie mindestens das Doppelte bräuchte, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können.
  • Bedingt durch die Corona-Pandemie haben weltweit viele Textilarbeiter:innen ihre Arbeitsplätze verloren oder enorme Lohnausfälle erlebt, weil sie keine sicheren Arbeitsverträge hatten und auf kein Versorgungsnetz zurückgreifen konnten. Existenzielle Armut ist die Folge.

Das ist moderne Sklaverei!

Für mich stand fest: Mit jedem weiteren Kauf neuer Kleidung, die unter diesen grausamen und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in den Textilindustrien produziert wurde, trug ich mit Schuld daran, dass Textilarbeiter:innen weiterhin weltweit ausgebeutet wurden!

Dabei wollte ich als Christin doch Jesus Auftrag nachkommen, meine Nächsten so zu lieben wie mich selbst und mit ihnen so umzugehen, wie ich es mir von ihnen wünschte. Aber wenn ich das wirklich wollte, konnte ich diese schockierenden Wahrheiten nicht ausblenden oder mit Aussagen wie „Ich bin noch Studentin und kann mir fair-gehandelte Kleidung nicht leisten“ relativieren!

Ich beschäftigte mich intensiv mit dem Thema und schnell untermauerten noch weitere schockierende Wahrheiten meine Entscheidung…

  • Die Modeindustrie verursacht mit 1,2 Milliarden Tonnen CO2 im Jahr mehr CO2 als der Schiffs- und Flugverkehr zusammen und trägt damit enorm zur Klimakrise bei.
  • Für die Gewinnung von 1kg Baumwolle werden ca. 170 Badewannen Wasser benötigt. Für das Färben von 1kg Garn nochmal 60 Liter.
  • 17-20% der weltweiten Wasserverschmutzung entstehen bei der Textilveredelung. 1kg Garn wird mit ca. 1kg Chemikalien bearbeitet, wovon ein großer Teil ins Abwasser gelangt.

Die Textilindustrie fördert also nicht nur moderne Sklaverei, sondern stellt auch noch eine enorme Umweltbelastung dar! Darüber hinaus setzt „Fast Fashion“ ein schnelllebiges, von Trends bestimmtes und auf hohen Profit ausgerichtetes Konsumverhalten auf Kosten der endlichen Ressourcen unserer Erde. Immer mehr Kleidung soll immer schneller und immer günstiger produziert werden, damit immer wieder neue Modetrends zu immer wieder neuen Käufen verleiten.

Aber was passiert dann mit all der Kleidung, die plötzlich nicht mehr dem Trend entspricht?

  • 1,3 Millionen Kleidung werden pro Jahr weggeschmissen. Pro Sekunde wird eine LKW-Ladung voll Kleidung verbrannt.
  • Alle 5 Minuten werden 1 Millionen neue Kleider hergestellt. Davon kauft jeder Mensch durchschnittlich 25kg im Jahr.
  • Jedes 5te Kleidungsstück im Kleiderschrank wird so gut wie nie getragen. Damit liegen ca. 1 Milliarde Kleidungsstücke ungetragen im Kleidungsschrank.

Das ist doch kaum zu glauben, oder?!
Die Lieferketten der Modeindustrie sind so unübersichtlich und intransparent, weshalb eine Nachverfolgung schwierig ist. Große Textilketten versuchen durch Marketing und PR-Maßnahmen ein „grünes Image“ zu erlangen, in dem sie „Greenwashing“ betreiben, obwohl Nachhaltigkeit und Umweltschutz noch immer nicht auf ihrer Agenda stehen. Kleidung wird immer mehr zu einem billigen Wegwerfprodukt.

Als ich mich mit all diesen Fakten auseinandersetzte, fühlte ich zuerst eine starke Ohnmacht in mir. Wie sollte ich irgendetwas an der Situation verändern? Was konnte ich tun?

Ich entschied mich für einen Boykott.
In den ersten zwei Jahren kaufte ich mir tatsächlich gar keine neue Kleidung. Das lag aber vor allem daran, dass mein Kleiderschrank ohnehin gut und reich bestückt war. Irgendwann brauchte ich neue Schuhe und fand ein tolles Paar auf Vinted (ehemals Kleiderkreisel), einer Secondhand-Plattform für Kleidung, Schuhe, Accessoires. Mit den Jahren informierte ich mich über nachhaltige und faire Modellabel und über Siegel, die faire und nachhaltige Mode auszeichneten. Die Kleidung war zwar teurer, aber dadurch überdachte ich meine Kaufentscheidungen in jedem Fall gut.

Heute hängt in meinem Kleiderschrank ein bunter Mix aus Kleidung, die ich schon jahrelang besitze und noch immer gerne trage, aus neu ergatterten Second-Hand-Schätzen und aus ein paar neu gekauften, fair-gehandelten und nachhaltigen Lieblingskleidungsstücken. Jedes dieser Teile trage ich regelmäßig und wenn mir etwas nicht mehr gefällt, verschenke oder verkaufe ich es.

But to be honest: es kostet mich durchaus immer mal wieder Überwindungskraft und Willensstärke, an meiner Entscheidung festzuhalten – insbesondere, wenn ich an Schaufenstern vorbeigehe und die schönen Kleider zu verlockenden Preisen sehe… Aber wenn ich mir die obigen Fakten wieder bewusst mache, weiß ich, dass sie keinen Kompromiss wert sind!

Ich schreibe diesen Beitrag aus dem Herzenswunsch heraus, mit meiner Entscheidung auch DICH inspirieren zu können, dein Kaufverhalten neu zu reflektieren und gemeinsam mit mir der Textilindustrie ein Zeichen zu setzen. Ich wünsche mir, dass wir die Menschen sehen, die unsere Kleidung hergestellt haben und dafür nicht ansatzweise gerecht entlohnt wurden. Ich wünsche mir, dass wir lernen, die endlichen Ressourcen unserer Erde wieder wertzuschätzen und uns neu fragen, wie viel Kleidung wir wirklich brauchen. Ich wünsche mir, dass wir uns unserer Privilegien bewusst werden und einen zunächst mal einen Anfang wagen.

Wie wird dein Kleiderschrank nachhaltiger, minimalistischer und fairer?

  1. Mach deinen Kassenbon zu deinem Wahlzettel!
    Mach dir bewusst, dass du in deiner Rolle als Konsument:in Macht hast, Veränderungen in Gang zu setzen! Treffe bewusste und reflektiere Kaufentscheidungen und fordere damit die Textilindustrie zum Umdenken heraus! Dein Kassenbon entscheidet, in welche Richtung sich die Textilindustrie entwickelt.
    „Konsument:innen entscheiden, was in welcher Menge produziert wird. Natürlich verändert ein Mensch alleine nicht die Welt, aber viele Individuen schon. Revolutionen passieren durch Individuen.“ – Jonathan Safran Foers
  2. Stelle dir folgende Fragen, bevor du dir ein neues Kleidungsstück kaufst:
  • Brauche ich dieses Kleidungsstück wirklich? Habe ich bereits ein Ähnliches?
  • Muss ich dieses Kleidungsstück neu kaufen oder kann ich es gebraucht im Internet oder auf dem Flohmarkt bekommen?
  • Wird es mir auch noch in 3 Jahren gefallen?
  • Kann ich es gut mit meinen anderen Kleidungsstücken kombinieren?
  • Ist die Qualität gut genug, damit ich es über viele Jahre tragen kann?

3. „Weniger ist mehr!“
Miste deinen Kleiderschrank regelmäßig aus und gib die Kleidung, die du nicht mehr trägst zu einer Kleidersammlung oder stell sie im Internet (z.B. auf Vinted) rein. Dann kann sich jemand anderes noch darüber freuen.

4. Informiere dich (und Andere)
…über moderne Sklaverei heute:
https://ijm-deutschland.de/sklaverei-heute/arbeitssklaverei

…über die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie weltweit und die Notwendigkeit von Existenzlöhnen:
https://femnet.de/
https://cleanclothes.org/
https://www.missio.at/naeherinnen-in-aethiopien/

…darüber, wie das neue Lieferkettengesetz aussieht und aussehen sollte: https://lieferkettengesetz.de/

…über Labels, die fair gehandelte und nachhaltige Kleidung produzieren:
https://fairknallt.de/facts/
https://aniahimsa.com/2019/12/06/fair-eco-fashion-guide-das-sind-meine-lieblingslabel/

& über Modeaktivismus:
https://fashionchecker.org/de/
https://fashionchangers.de/


* die genauen Quellen zu den Fakten habe ich aufgrund der Lesbarkeit nicht direkt verlinkt. Viele Informationen kannst du über die obigen Links nachlesen. Wenn du Interesse an den konkreten Quellenangaben hast, kannst du dich gern bei mir melden.


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